PDF zum Download:
Stellungnahme von Mitgliedern der Bayerischen Akademie der Schönen Künste
Durch ein internes Schreiben von Mitarbeitern des Bayerischen Rundfunks in diesem Sommer, das schnell publik wurde, erfuhr die Öffentlichkeit, welche Veränderungen der Leitung des Bayerischen Rundfunks vorschweben, um den Hörfunk-Kulturkanal Bayern 2 umzugestalten.
Seit dem Bekanntwerden dieses Vorhabens ist die Öffentlichkeit nicht nur alarmiert. Die Welle der Proteste von Radiohörerinnen und -hörern, Kulturinteressierten, Gebührenzahlern gegen die sogenannten Reformpläne reißt nicht ab. Nicht zuletzt Kulturschaffende – Filmemacher, Schriftsteller, das PEN Zentrum Deutschland, der PEN Berlin, Bildende Künstler, Verleger, Kulturveranstalter – zeigen und äußern sich empört über einen bisher nicht dagewesenen kulturellen Kahlschlag im Programm von Bayern 2.
Bundesweit renommierte Sendungen wie die morgendliche Kulturwelt, Diwan – Das Büchermagazin, das Kulturjournal, die Sendung Jazz&Politik sowie die literarischen Lesungen in den radioTexten, das Nachtstudio mit Features und Essayistik sollen im Hörfunkprogramm abgeschafft werden. Insgesamt betrifft diese Planung pro Woche ungefähr sieben Stunden kulturelle Informationen, Debatte, künstlerisches Angebot, die es im linearen Hörfunkprogramm nicht mehr geben würde. Solche Missachtung der Vermittlung unseres kulturellen Lebens ist in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einmalig und soll ausgerechnet im Kulturstaat Bayern stattfinden.
Die Planung, die ab Frühjahr 2024 greifen soll, steht zudem in krassem Widerspruch zum Medienstaatsvertrag, der in Paragraph 26 den Bildungsauftrag öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten festlegt: »Die öffentlich-rechtlichen Angebote haben der Kultur, Bildung, Information und Beratung zu dienen. Unterhaltung, die einem öffentlich-rechtlichem Profil entspricht, ist Teil des Auftrags.«
Dieses grundlegende Gebot, das die Existenz der gebührenfinanzierten Sender rechtfertigt, wird von der Leitung des Bayerischen Rundfunks auf die riskanteste Weise ignoriert. Hinweisen der Programmleitung, dass kulturelle Inhalte künftig im Internet zu finden seien, fehlt bisher jede Substanz. Radiogeräte würden für kulturinteressierte Hörer in Zukunft weitgehend nutzlos. Auch Podcasts können bewährte Radioformate nicht gleichwertig ersetzen.
Im Hörfunk selbst sollen kulturelle Beiträge nach den Worten der Intendantin des Bayerischen Rundfunks zwischen »Verbraucher- und Gesundheitsthemen« und »Royals« eingestreut werden. Der Hörer würde nur noch zufällig auf kulturelle Mitteilungen stoßen.
Zudem sollen zum Beispiel Literaturbeiträge zunehmend einem zentralen Kulturregal der ARD entnommen werden. In sämtlichen Landesrundfunkanstalten liefe dann nur noch ein und dieselbe Buchbesprechung. Auch das lässt sich geradezu als Anschlag auf die Meinungsvielfalt und den Föderalismus verstehen. Der Hörer würde einem stromlinienförmigen Einerlei von Kurzverlautbarungen ausgesetzt. Errungenschaften und Werte wie die Vertiefung von Themen und Debattenkultur sind für Bayern 2 offensichtlich nicht mehr vorgesehen. Gefährlich aufs Spiel gesetzt wird damit die kulturelle Bildung, die auch politische Bildung beinhaltet, welche gerade in diesen Zeiten vor dem zunehmenden Extremismus im Land schützen kann.
All diese Vorhaben sollen zu nötigen Einsparungen in den ARD-Budgets führen, wobei der Programmdirektor Kultur des Bayerischen Rundfunks widersprüchlich behauptet, es handele sich um »ein Programmstrategie- und kein Sparprojekt«.
Durch die Missachtung seines Kulturauftrags, den auch der bayerische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst Markus Blume einfordert, lässt der Bayerische Rundfunk sein Programm ausbluten und stellt die gebührenfinanzierte Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks infrage.
Auf Grund dieser drohenden Entwicklung protestieren die unterzeichnenden Mitglieder der Bayerische Akademie der Schönen Künste energisch gegen den geplanten kulturellen Kahlschlag, den der Bayerische Rundfunk der Öffentlichkeit zumuten will, und fordern die Verantwortlichen auf, die angekündigten Eingriffe in die Substanz der Berichterstattung zu unterlassen.
Unterzeichner:
Volker Banfield, Rolf Basedow, Thomas Bechinger, Senta Berger, Axel Block, Dieter Borchmeyer, Rudolf Bott, Nikolaus Brass
Sibylle Canonica
Daniela Danz, Friedrich Denk, Dieter Dorn, Doris Dörrie
Jens Malte Fischer, Catalin Dorian Florescu, Helmut Friedel, Cornelia Froboess-Matiasek
Katharina Gaenssler, Zsuzsanna Gahse, Matteo Galli, Lena Gorelik, Christian Gerhaher, Nikolaus Gerhart, Siegfried Gohr, Dominik Graf, Peter Gülke
Peter Haimerl, Lambert Hamel, Peter Michael Hamel, Sven Hanuschek, Dorothee Hartinger, Gert Heidenreich, Anna Heringer, Wilfried Hiller, Franz Hitzler, Wolfgang Holler, Heinz Holliger, Georg Holzer, Nicolaus A. Huber, Stephan Huber, Stephan Hunstein
Johannes Kalitzke, Salome Kammer, Anja Kampmann, Werner Knaupp, Thomas Koebner, Gerhard Köpf, Anna Konjetzky, Edgar Krapp, Michael Krüger, Dietrich Krusche, Andreas Kühne
Helmut Lachenmann, Andrea Landolfi
M+M (Marc Weis, Martin De Mattia), Hans Maier, Friedhelm Marx, Eva Mattes, Wolfgang Matz, Waltraud Meier, Olaf Metzel
Sten Nadolny, Winfried Nerdinger, Olga Neuwirth
Isolde Ohlbaum, Hanns-Josef Ortheil, Karl-Heinz Ott, Ulrike Ottinger
Kevin Perryman, Heinz Pfahler, Hans Pleschinski, Christoph Poppen, Wiebke Puls
Andreas Rebers, Georg Ringsgwandl, Kathrin Röggla
Klaus G. Saur, Christoph Sattler, Rafik Schami, Roland Schimmelpfennig, Iris ter Schiphorst, Karl Schleinkofer, Fridolin Schley, Tobias PM Schneid, Enjott Schneider, Brigitte Schwacke, Edgar Selge, Lutz Seiler, Michael Semff, Bernhard Sinkel, Natalka Sniadanko, Kerstin Specht, Arnold Stadler, Ula Stöckl, Simon Strauß
Yaara Tal, Axel Tangerding, Manfred Trojahn, Ilija Trojanow
Christoph Valentien, Michael Verhoeven, Richard Vogl
Jan Wagner, Lisa Wagner, Michael Walter, Wilhelm Christoph Warning, Christoph Well, Jossi Wieler, Johanna Wokalek, Christine Wunnicke
Klaus Zehelein, Tabea Zimmermann, Walter Zimmermann, Hanns Zischler, Armin Zweite, Uli Zwerenz