2015 hatte ich die Ehre, auf den Wunsch von Andreas Meck hin ihm eine Laudatio zum Münchner Architekturpreis zu halten. Und jetzt, zum Abschied, bleibt ein Zuruf an den nun fernen aber doch nahen Freund, mit dem mich eine ebenso zarte wie intensive Freundschaft in jener wohltuenden Distanz verband, die ihm zu eigen war.
In den Begegnungen mit Andreas Meck lernte ich seine Art kennen, die Welt zu betrachten und das Erkannte auf vielfältige Weise zu vermitteln, eben auch, aber nicht nur durch seine Bauten. An seiner lebendigen Fülle ließ er mich wie auch alle anderen, mit denen er verbunden war, teilhaben. Die Gespräche mit dem Architekten, nein, dem Menschen Andreas Meck waren stets überaus spannend, denn man konnte, ganz buchstäblich, über Gott und die Welt mit ihm reden, und damit auch über die Architektur, und gelangte rasch in die Tiefen aller möglichen Bereiche des Lebens.
Ich hatte als »Medienvertreter« das Privileg, diesen unermüdlichen Arbeiter Andreas Meck mit meinen Interviewanfragen zu diversen Architekturthemen von seinem Schreibtisch weglocken zu können, was bedeutete: Er nahm sich Zeit für mancherlei Gespräche. Meist erweiterten wir das vorgegebene Thema und stießen auf benachbarte Bereiche. So, wie man in einem Saal eine verlockend platzierte Türe öffnet und einen weiteren Raum betritt. Oder an spannende Durchblicke gerät, fachsprachlich ausgedrückt: »Fugen«, die überraschende Perspektiven eröffnen, oft genug auf bereits Gesehenes oder bekannt Geglaubtes, das man dann ganz neu und von einer anderen Warte aus wahrnimmt.
So erlebte ich es zum Beispiel bei der Besichtigung des Pfarrzentrums Sankt Nikolaus in Neuried. Nicht weil die Kirche und die sie umgebenden Bauten wie eine gleichermaßen geschlossene und offene Skulptur auf mich wirkten. Was mir, lange vertraut mit der Bildenden Kunst, besonders ins Auge fiel. Ich dachte, die Architektur sehend, an die skulpturale Kraft der Tempel des klassischen Griechenlands und daran, wie wir, Andreas Meck und ich, uns darüber oft ausführlich ausgetauscht hatten. Mit welchem Raffinement an Einfachheit und Komplexität Andreas Meck diese skulpturale Kraft nicht nur seiner Kirchenbauten in Form und Gestalt entwickelte, zeigt die Art und Weise, wie er die Spannung zwischen Offenheit und Geschlossenheit herstellte. Etwa bei dem Pfarr- und Jugendheim in Thalmässing von 2004. Ein durchaus bescheidenes, unspektakuläres und doch raffiniertes Bauwerk, das in seiner Anmutung der Bescheidenheit des Architekten entspricht, dem der große gesellschaftliche Auftritt bei allen Erfolgen stets fremd blieb. Er war so frei von jeder modisch-zeitgeistigen Attitüde, frei von allem Dünkel und begegnete Menschen jenseits allen Machtgehabes, aber mit natürlicher Autorität. Ihn trug die Idee, mit seinen Bauten, mit seinem Lehren an der Münchner Hochschule, mit seinem Engagement in so vielen Bereichen des Lebens im tiefsten Sinn human und humanistisch zu wirken.
So wirkten auch seine Werke: Keine vorlauten Glitzerbauten, keine spektakuläre architektonische Kraftmeierei, sondern behutsam von innen heraus in seiner Handschrift entwickelt. Erleben konnte ich das auf einer Fahrt nach Poing, als der stets in Termine und selbstgewählte Aufgaben eingebundene Andreas Meck – für dessen so angefülltes Leben andere zwei gebraucht hätten – mich mitnahm, um mir die von ihm entworfene und gerade im Bau befindliche Pfarrkirche Sel. Rupert Mayer ausführlich zu zeigen. Ein Lichtraum in seiner sich nach oben und in die Weite der Schöpfung richtende Transparenz, dabei Transzendenz vermittelnd. Im fast fertigen Gotteshaus stehend erläuterte er mir seine in die Tiefe von Philosophie und Glauben reichenden Gedanken zu dem Bau und zum Bauen generell, und zu Sakralräumen insbesondere.
Sakralräume, ein großes Thema – sein großes Thema. Sie auf einer Architekturbiennale in Venedig zu zeigen, hatten wir vor Jahren schon einmal gemeinsam erwogen, dann aber die Idee mangels Zeit verworfen. So etwas war mit Andreas Meck möglich. Damals, bei unserem gemeinsamen Besuch in Poing zeigte sich einmal mehr, mit welcher Ernsthaftigkeit, Genauigkeit und Hingabe Andreas Meck plante, arbeitete, lebte, sich mitteilte. Er wollte ein Licht setzen, so, wie er das mit all seinen Kirchen und seinen vielen anderen Bauten, den Verwaltungs- und Kulturbauten und den Wohnhäusern in die Tat umsetzte, dabei stets in Respekt gegenüber allen Beteiligten und zusammen mit denen, die in seinem Büro mitarbeiteten. Wie er auch respektvoll mit den Studierenden in der Hochschule umging und ihnen sein Engagement und seine Nachdenklichkeit, seinen Eifer und seinen Anspruch vermittelte, dabei den Lernenden stets auf gleicher Ebene gegenübertretend. Damit bot er ihnen ein nicht nur fachlich prägendes Zuhause.
Es war ihm auch wichtig, Menschen im wahrsten und weitesten Sinn des Wortes zu »behausen«, wie er es einmal ausdrückte.
Daheim sein. Das war er als Kind bei seiner Tante auf dem Bauernhof nahe Freising, und davon sprach er oft. Diese wohltuende Bodenständigkeit hat Andreas Meck nie verloren. Kurz vor seinem Tod, um den er wusste, entwarf er seine eigene Urne als ein kleines großes Haus. Ein Haus in seiner Urform, formal einfach und klar, von Freunden herausgeschlagen aus einem schweren alten Eichenstamm. Darin wurde seine Asche ins Grab gesenkt. So, als habe er noch zum Schluss allen, die ihm nahestanden, zeigen wollen, er sei auch nach dem Tod behaust. „Heimgang« – im eigentlichen Sinn. Adieu, lieber Andreas Meck.
Wilhelm Warning