† 2.10.2017 in Perugia
Korrespondierendes Mitglied der Musikabteilung seit 1980
Träger des Musikpreises der Ernst von Siemens Stiftung 2009
Mit Klaus Huber ist einer der ganz großen europäischen Komponisten des 20. Jahrhunderts von uns gegangen. Geboren am 30. November 1924 in Bern war er zunächst als Grundschullehrer tätig, trat 1947 ins Konservatorium Zürich ein, wo er eine Geigenausbildung und bei seinem Taufpaten Willy Burkhard Kompositionsunterricht erhielt. 1955/56 schloß Huber seine kompositorische Ausbildung bei Boris Blacher in Berlin ab, 1959 hatte er mit seiner Kammerkantate bei den Weltmusiktagen in Rom den ersten internationalen Erfolg. Seit 1983 ist der gesellschaftlich stark engagierte Komponist immer häufiger öffentlich aufgetreten, erste Vorträge 1983 in Havanna, 1985 in Brasilien, 1986 in Kanada und an Universitäten in Japan, 1989 in Schweden.
Von 1964 bis 1972 leitete Klaus Huber eine Kompositionsklasse an der Musikakademie Basel, von 1973 bis 1991 war er in gleicher Funktion an der Staatlichen Hochschule für Musik in Freiburg als Nachfolger von Wolfgang Fortner tätig. Zu seinen bekanntesten Schülern zählen Brian Ferneyhough, Toshio Hosokawa, Dieter Mack, Younghi Pagh-Paan, Kaija Saariaho und Wolfgang Rihm. In den letzten Jahren lebte Huber einen Teil des Jahres in Bremen, wo seine Schülerin und dritte Frau Younghi Pagh-Paan lehrte, und den anderen Teil des Jahres in Panicale in der Provinz Perugia, wo er am 2. Oktober an Herzrhythmusstörungen verstarb.
In den 1990er Jahren hatte Huber begonnen, mit Dritteltönen und arabischen Tonskalen zu komponieren, und 2001, mit 77, Jahren erlebte er die Uraufführung seines Bühnenwerkes Schwarzerde an der Oper in Basel. »Widerstand in der Musik, im Tonfall der Empörung und als intime Mitteilung für wache Ohren, gegen die Dummheit und die Arroganz der Mächtigen«: dieser Tonfall durchziehe Klaus Hubers gesamtes Werk, schreibt Max Nyffeler in seinem Nachruf im Schweizer Radio. Kein anderer Komponist der Nachkriegszeit habe im Lauf seines Schaffens so tiefgreifende Wandlungen durchgemacht und sei sich doch immer treu geblieben.
Es gibt Komponisten, die sich in den Institutionen des Musikbetriebs wie ein Fisch im Wasser bewegen. Und es gibt andere, die sich damit eher schwertun, aber künstlerisch umso mehr zu sagen haben. Zu letzteren gehörte Klaus Huber. Er stand stets quer zum Zeitgeist, die Wirkung seiner Musik war umso nachhaltiger. (Max Nyffeler)
Aufschlußreich hatte Karl Schumann 1980 in seiner Zuwahlbegründung für Klaus Huber geschrieben, daß dieser einer der wenigen Komponisten der mittleren Generation mit ausgeprägtem Interesse für die religiöse Musik sei. »Mit sakraler Musik und Vokalmusik trat er in den 1950er Jahren hervor – sakrale Musik macht heute zwei Drittel seines umfangreichen Werkverzeichnisses aus.«
Schon 1975 äußerte sich der Theologe Klaus Röhring über Hubers geistliches Schaffen:
Hiob 19 ist Klang gewordene Dialektik von Zweifel und Hoffnung. Da ist nicht musikalisch von außen ein Text illustriert, sondern der Inhalt des Textes ist zum Inhalt der Musik selbst geworden, die »einzige Möglichkeit, heute einigermaßen überzeugend geistliche Musik zu schreiben, d. h. eine Musik, die geistliche Inhalte zu transponieren in der Lage ist«. (Neue Musik in der Welt des Christentums)
In einem letzten Radiogespräch mit Lydia Jeschke vom SWR, formuliert Klaus Huber sein Vermächtnis:
Eine Musik ohne Transzendenz kann ich mir nicht vorstellen. Aber noch weniger eine Menschheit ohne Transzendenz. Wenn dann alles materialistisch würde, dann sind wir nämlich bald mal weg. (März Musik 2010, Berlin)
Persönliche Erinnerung 1972
In Boswil im Künstlerhaus, gemeinsames »wildes« freies Improvisieren in der Alten Kirche, große Steine am Rheinufer suchen für den Schlagzeuger im Orchesterwerk Tenebrae. Besuche in Reigoldswil, gemeinsame Fahrt nach Dornach ins Goetheanum. Prägend für mich: die riesige, großartige Partitur von Inwendig voller Figur samt Aufnahme auf gelber Wergo-LP.
Persönliche Erinnerung 1980
In Freiburg wird meine Donaueschingen UA Gestalt für Orchester in der Kompositionsklasse von Klaus sehr kontrovers diskutiert …
Persönliche Erinnerung 2000
In Hannover mit Klaus und Younghi bei der Weltausstellung im wunderbaren Schweizer Pavillon mit den versteckten, zu erwandernden Musikensembles von Daniel Ott. Da hat Klaus seinen Mantel irgendwo liegengelassen, große Suche im hölzernen Labyrinth des Pavillons, Younghi findet den Mantel.
Auf der Traueranzeige ist in Hubers eigener Handschrift ein Zitat aus dem Alten Testament zu lesen: Die Steppe wird blühen. Jesaja 35.
Peter Michael Hamel