»Wenige nur dagegen finden Bilder, die ins Unbekannte weisen, die weder die Weltentwürfe stilisieren noch die Entzauberung suchen, die eine geheime Formel hüten, wie alle bleibende Kunst.« Otto van de Loo
Seine Galerie, gegründet 1957 in der Maximilianstraße, war von Anfang an ein Brennpunkt künstlerischer Auseinandersetzung. Van de Loos Entwicklung zum Galeristen hatte ihren Ursprung schon in seiner Heimatstadt Witten. Sein entscheidender Lehrer und Mentor war Peter Emil Nölle, damaliger Direktor des Gymnasiums und Leiter des Märkischen Museums in Witten. Er war es, der 1946 die ersten Ausstellungen nach dem Krieg mit verfemten Bildern von Nay, Baumeister, Hartung und Winter in einem Teiltrakt des stark zerstörten Städtischen Museums, sowie in der Bahnhofshalle organisierte.Er wurde am 9. März 1924 in Witten geboren und verstarb am 19. April 2015 in München. Seit 2004 war er Ehrenmitglied unserer Akademie.
Van de Loo erzählte oft, daß ihm in jungen Jahren, bei einem Besuch in München, peinlicherweise die Machwerke im Haus der Deutschen Kunst besser gefallen hatten als die Werke der Entarteten. Von Nölle zurechtgewiesen und in die Pflicht genommen, wandelte er sich zum leidenschaftlichen Streiter für die Kunst einer unbequemen Ästhetik, einer Kunst der Wahrhaftigkeit, der Freiheit des Denkens sowie der Poesie und Phantasie.
Wenn ihm eine Werkentwicklung seiner Künstler nicht gut genug, d. h. nicht scharf und wirklich bedeutend erschien, konnte er schroff, kalt und zurückweisend werden, und er ließ einen spüren, daß es um mehr geht in der Malerei als nur darum, ein Bild nach dem anderen zu malen. Bilder sollten, wie er sagt, seinen Blick erweitern, ihn provozieren und sich in sein Herz brennen. So haben wir, die Künstler seiner Galerie, ihn erlebt: endlose, philosophische Gespräche, getragen vom Willen, den Sumpf und die Dumpfheit verirrter Gedanken mit der Macht der Erkenntnis zu klären. Dies war sein Anliegen. Dies war der Impuls zu zahlreichen Ausstellungen, aber auch zu zahlreichen Publikationen mit Beiträgen von Künstlern, Philosophen sowie Kunsttheoretikern. 1982 erschien Texte zur Kunst 1957–1982; 1990, im Anschluß an die gleichnamige, von ihm initiierte Ausstellung in der Stuckvilla, Am Anfang war das Bild, 1992 die zwei Bände Engagement und Distanz und Bild und Reflexion, herausgegeben von H. M Bachmayer, ebenfalls 1992 Van Gogh – Malewitsch – Duchamp. Diese Bücher bieten einen hochaktuellen Einblick in die Standortbestimmung der Kunst nach dem 2. Weltkrieg.
Neben seinem Interesse an Erörterung und Theorie legte Otto van de Loo größten Wert darauf, ein Schauender, ein gänzlich Hingegebener zu sein. Wenn er vor einem Bild stand, da konnte er keinen Kommentar ertragen. Von jeder Ausstellung der Künstler in seiner Galerie erwarb er zumindest ein Werk, meist aber mehrere für seine Sammlung.
Die Künstler, die hier in München sich in der Galerie van de Loo seit ihrer Gründung 1957 geschart, gestritten, geliebt, verachtet, aber immer heftigst miteinander diskutiert haben, erlangten fast alle internationale Bedeutung. Ihre Namen reichen von den COBRA-Künstlern Alechinsky, Constant und Jorn, von Pinot Gallizio, Matta, Micheaux, Dubuffet, Judth Reigl, Serpan, Ting und Wyckaert bis zu Brus, Kremer, Rainer, Saura, Tapies und Vostell, von den sogenannten deutschen Informellen Cavael, Platschek, Schumacher und Sonderborg zu den Bildhauern Cimiotti, Hadzi, D’Haese und Hajek, von der Gruppe SPUR mit Fischer, Prem, Sturm und Zimmer zur Gruppe Geflecht mit Bachmayer, Heller, Köhler, Naujoks, Rieger, Sturm und Zimmer bis zu Hitzler, Kluge, Damisch, Neumann, Bartscht, Cahn und Schleinkofer.
Etwa 250 Werke von diesen Künstlern wollte Otto van de Loo München bzw. dem Freistaat Bayern als Schenkung überlassen. Es bleibt allen Kunstliebenden, denen der Geist näher steht als der Kommerz, ein tiefer Schmerz, daß, aus welchen unverständlichen Gründen auch immer, es verhindert wurde, daß die Stiftung Otto van de Loos in München ihren Platz fand. München ist der Ort, an dem van de Loo gestritten und gekämpft hat, wo er Presse und Kulturpolitik die Stirn bot, tagelang aus Protest seine Galerie geschlossen hielt. Hier war der Ort seines Wirkens. Die Sammlung wurde geteilt. 1990 schenkte er 55 Werke der Nationalgalerie Berlin und im Jahr 2000 annähernd 200 Werke der Kunsthalle Emden.
Otto van de Loo hat seine Mission, die er als Sorge um seine Künstler und die Versammlung ihrer Werke begriff, beendet. Die Sammlung wird die Zeiten überstrahlen und spätere Generationen werden den Namen Otto van de Loo verbinden mit den Namen der Künstler, die aufgebrochen sind aus dem Abgrund nach 1945 im Ringen um eine wahrhaftigere Welt.
Auf seiner Todesanzeige stand »wir haben dich geliebt und bewundert«. Mir bleibt die tiefe Hochachtung vor seiner Persönlichkeit.
Franz Hitzler