Die Ästhetik der Postmoderne hat eine Kategorie wieder ins Bewußtsein gerufen, die – in der Antike grundgelegt – aus der modernen Kunsttheorie fast verschwunden schien: das Erhabene. Als Komplementärbegriff zum Schönen hat diese Kategorie zumal in der Ästhetik des 18. Jahrhunderts (bei Burke, Kant oder Schiller) eine fundamentale Rolle gespielt: als Bezeichnung des Numinos-Schrecklichen, die sinnliche Fassungskraft und die Grenzen der Menschheit Übersteigenden, des Nicht-mehr-Schönen. Hat das späte 19. und 20. Jahrhundert das Erhabene gegenüber dem Schönen fast vergessen, so löst es sich im ästhetischen Diskurs der Postmoderne aus seinem Schatten, gewinnt größere Bedeutung als sein einstiger Widerpart. Der Grund für diese Renaissance des Erhabenen, seine Modernität, liegt in seinem gebrochenen Verhältnis zur Wirklichkeit. Es birgt in sich eine kritische Dimension, durch die es den nicht mehr als „schön“ zu harmonisierenden Antagonismen und Sinnbrüchen der Moderne in besonderem Maße adäquat zu sein scheint. Die Akademie der Schönen Künste sinnt über die Grenzen der schönen Künste nach! Dieter Borchmeyer
Wer freilich die große Haushaltung der Natur mit der dürftigen Fackel des Verstandes beleuchtet und immer nur darauf ausgeht, ihre kühne Unordnung in Harmonie aufzulösen, der kann sich in einer Welt nicht gefallen, wo mehr der tolle Zufall als ein weiser Plan zu regieren scheint und bei weitem in den mehresten Fällen Verdienst und Glück miteinander im Widerspruche stehn. Friedrich Schiller, Über das Erhabene, 1801