Gegensinnig gewundene Schrauben sind durch keinen Begriff, sondern nur durch den Bezug auf die linke und die rechte Hand zu erkennen. So erläutert Kant die zentrale These seines kritischen Hauptwerks, nach der Raum und Zeit die „Formen der sinnlichen Anschauung“ sind. Neue Entwicklungen in Hirnforschung, Maschinenintelligenz und Kunstgeschichte verhelfen dieser Erklärung zu überraschender Aktualität. Demnach bringt das handelnde Denken in Bildern nicht nur das hervor, was die Psychologie die „Gestalt“ genannt hat. Auch für die schöpferischen Leistungen in Mathematik und Physik spielt das Lenken der Bilder durch Denken eine wichtige Rolle. Diese Ergebnisse lassen sich kaum mit der Meinung vereinbaren, es könne eine Wissensgesellschaft ohne Kunst geben.
Ingo Rentschler (*1940), Physiker und Professor an der Medizinischen Fakultät der LMU München, ist Autor und Mitherausgeber zahlreicher Schriften zur visuellen Sinnesphysiologie, zum Bildverstehen durch Mensch und Maschine sowie zum Thema von Kunst und Gehirn.