Heinrich Heines Verhältnis zum angestammten Judentum war so schmerzlich und widerspruchsvoll wie sein Verhältnis zu Deutschland und den Deutschen. Eines bedingte das andere, in beiden standen das Ja und das Nein, Treue und Abtrünnigkeit dicht beieinander. Sie sind eins in jener prekären deutsch-jüdischen Doppel-Identität, die Heine ein Leben lang reflektierte und für die das zerrissene Herz zu einem zentralen Bild seiner Lyrik wurde. Auch die Traurigkeit des Lorelei-Gedichtes Ich weiß nicht, was soll es bedeuten … und Heines Schilderung eines rheinischen Juden-Progromes im Roman-Fragment Der Rabbi von Bacherach – sie gehören zusammen. Peter Horst Neumann
»Ach, teurer Leser, wenn du über jene Zerrissenheit klagen willst, so beklage lieber, daß die Welt selbst mitten entzweigerissen ist. Denn da das Herz des Dichters der Mittelpunkt der Welt ist, so mußte es wohl in jetziger Zeit jämmerlich zerrissen werden. Wer von seinem Herzen rühmt, es sei ganz geblieben, der gesteht nur, daß er ein prosaisches weitabgelegenes Winkelherz hat. Durch das meine ging aber der große Weltriß, und eben deswegen weiß ich, daß die großen Götter mich vor vielen anderen hoch begnadigt und des Dichtermärtyrtums würdig geachtet haben.«
Heine Reisebilder III: Die Bäder von Lucca, im 4. Kapitel