»Ich bin Plastiker«. – Was sagt Goethe mit diesem spontan gegenüber Sulpiz Boisserée hingeworfenen Wort? Die Wendung lotet tiefer. Goethe spricht von einer Grundbestimmtheit seines schöpferischen Selbst. Sein ausgeprägtes Verhältnis zur Skulptur umfasst die innere Plastizität seiner poetischen Sprache, wie überhaupt seine Weltempirie, die stets auf die sinnliche Fasslichkeit der »Gegenstände« und deren geistige Bewältigung durch eine »anschauende Urteilskraft« zielt. Von diesem Ansatz her entwickelt Goethe ein identifikatorisches Verhältnis zur Plastik. In Rom hat er selber modelliert und Anatomiestudien betrieben. Sein Skulptur-Begriff ist denkbar weit gefasst. Dieser bezieht sich nicht nur auf die Gattung selbst, die er nach Kräften durch seine vielfältigen Kontakte mit Bildhauern zu fördern sucht. Vielmehr berührt das Thema auch Goethes evolutive Auffassung von Form in seinen Naturforschungen wie ebenso die erstaunlichen Skulpturen-Motive in seinen Dichtungen. C. L.
Christa Lichtenstern, emeritierte Ordinaria für Kunstgeschichte, wurde 2000 zum Korrespondierenden Mitglied der Akademie gewählt. Ihre Forschungsschwerpunkte sind u. a. Kunsttheorie, Malerei und Plastik von der Aufklärung bis zur Gegenwart