Immer noch unübertroffen ist Carl Einsteins aphoristisch pointierte Charakterisierung de Chiricos: »Man wohnt zwischen Florenz und der Pariser Métro und meditiert schopenhauerisch belastet zwischen Paracelsus und Lautréamont.« Damit ist de Chiricos exzentrische Position im Rahmen der Pariser Avantgarde umrissen, die gleichwohl für die eigensinnige Bildsprache seiner pittura metafisica bestimmend war. Inmitten einer durch Wissenschaft und Technik entzauberten Welt entwickelte er damals eine reflexive Bildkonzeption, die sich methodisch der Subversion des Sinns und der Form verschreibt, als gemalte Collage den Widerspruch auf die Spitze treibt und protosurrealistisch Apollinaires Kategorien der surprise und des merveilleux bestätigt. De Chiricos neue Kombinatorik, sein Entwurf einer »modernen Mythologie« konfrontieren den Interpreten freilich mit methodischen Schwierigkeiten. Ironischerweise verlangen gerade de Chiricos scheinbar lapidare, diskontinuierliche Bildformulierungen einen vergleichweise hohen Interpretationsaufwand. Deshalb steht hier die Analyse eines seiner Hauptwerke paradigmatisch für die angedeutete Problematik ein.
Monika Steinhauser war bis 2006 Professorin für Kunstgeschichte und Leiterin der Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum. Sie veröffentlichte zu Architektur und Architekturtheorie des 18. und 19. Jahrhunderts sowie zu Photographie, Kunst und Kunsttheorie des 19. und 20. Jahrhundert.