Jiddisch, die rund tausend Jahre alte, dem Mittelhochdeutschen entstammende, in hebräischen Lettern geschriebene jüdisch-deutsche Sprache, ist das wichtigste kulturelle Produkt der Parallelgeschichte von Juden und Deutschen im Mittelalter. Aufgrund der Verfolgung der Juden in Deutschland hat sich das Jiddische vor allem nach Osteuropa verbreitet, wo es ihre Alltagssprache blieb, bis die blühenden jüdischen Kulturzentren durch den Nationalsozialismus für immer vernichtet wurden.
Sholem Yankev Abramovitsh (geboren 1835 in Kopyl bei Minsk, gestorben 1917 in Odessa) ist der Gründervater der neujiddischen Literatur. In der fiktiven Gestalt des Mendele Moykher Sforim, Mendele der Buchhändler, der mit Pferd und Wagen durch die Ukraine fährt, um Juden mit Literatur zu versorgen, schuf er sich ein Alter Ego, das seinen eigenen Namen verdrängte. In seinen humoristisch-satirischen Romanen und Erzählungen verarbeitete er die Eindrücke, die er auf seinen Reisen durch Litauen und die Ukraine vom jüdischen Milieu empfing.
Susanne Klingenstein, die als Literaturwissenschaftlerin an der Harvard University lehrt, hat Leben und Werk von Mendele dem Buchhändler in diesem Jahr in einer großen Monographie wieder aufleben lassen.
Martin Walser hat darauf ein Antwortbuch geschrieben, ein Denkmal für den wohl bedeutendsten jiddischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, der für ihn gewissermaßen die Mitte zwischen Swift und Kafka bildet. D. B.