Der Bruderzwist war Heinrich und Thomas Mann nicht an der Wiege gesungen worden. Feindliche Brüder wurden sie erst 1914, als Thomas sich der Mehrheit der deutschen Intellektuellen in ihrer unbedingten Bejahung des Krieges anschließt, während Heinrich zu der Minderheit der entschiedenen Kritiker des kriegerischen Deutschland gehört. Die zwischen 1915 und 1918 entstandenen Betrachtungen eines Unpolitischen sind auf Seiten Thomas Manns die umfassende Reflexion der ideologischen Gegnerschaft zwischen ihm, dem Repräsentanten der deutschen »Kultur«, und seinem Bruder, dem französisch orientierten »Zivilisationsliteraten«. Der Weltkrieg wird zum Bruderkrieg. Die republikanische Wandlung Thomas Manns nach dem Kriege, seine rigorose Verwerfung der faschistischen Bewegung von ihren Geburtswehen an, hat seit 1922 eine allmähliche Wiederannäherung an den politisch seinerzeit weitsichtigeren Bruder zur Folge, die sich vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Machtergreifung und des Exils schließlich zu einer freundschaftlichen, politischen und kulturellen Solidarität, ja Einigkeit vertieft. Der Vortrag sucht die ideologischen Hintergründe der Gegnerschaft zwischen Heinrich und Thomas Mann während des Ersten Weltkriegs auszuleuchten. D. B.