Um zu verstehen, wohin Polen steuert, muß man die polnische Geschichtspolitik näher ins Auge fassen. Der Chef der rechtskonservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit” (PiS), Jaroslaw Kaczynski, arbeitet an einem neuen Geschichtsbild, geprägt von Patriotismus und Katholizismus. Auf diesen Werten soll das neue Polen errichtet werden. Ein starkes, katholisches Polen, ein christliches Bollwerk gegen westliche Unmoral und fremde Einflüsse jeglicher Art.
Abweichende Meinungen werden nicht geduldet und als antipolnisch verteufelt. Kaczynski und seine Anhänger kennen nur zwei Lager: die wahren Polen, die ihnen bedingungslos folgen, und die Feinde, mit denen es kompromisslos abzurechnen gilt. Um seine Absichten durchzusetzen, zögert Kaczynski nicht, die liberale Demokratie mit all ihren Institutionen zu schwächen und am Ende zu zerschlagen. Sein Ziel ist ein autoritäres Regime, an dessen Spitze er sich selber sieht. Ähnlichkeiten mit Viktor Orbán in Ungarn sind evident, Kritiker sprechen denn auch von einer Orbanisierung Polens. Die neue Geschichtspolitik ist ein wichtiges Instrument, um die Gesellschaft auf den neuen Kurs, der auch starke antieuropäische Elemente enthält, einzustimmen. M. P.
Der Schriftsteller und Übersetzer Martin Pollack studierte Slawistik und osteuropäische Geschichte. Bis 1998 war er Redakteur des Spiegel in Wien und Warschau. Er erhielt mehrere Preise, u. a. den Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln (2007). Der Außenamtsstaatssekretär der polnischen Regierung Jan Dziedziczak kündigte 2016 die Zusammenarbeit mit Pollack auf, da dieser sich im April 2016 in einem Artikel im Standard besorgt über die autoritäre Innenpolitik Polens geäußert hatte.
Thomas Urban war von 1988 bis 2012 Osteuropakorrespondent der Süddeutschen Zeitung. Er ist Autor zahlreicher Werke über Polen und seine Geschichte. 2012 übernahm er das Korrespondentenbüro in Madrid.