Die Auseinandersetzung mit der jüngeren deutschen Geschichte stellt Anliegen und Motiv des weitaus größten Teils der Arbeiten des 1945 geborenen Künstlers Anselm Kiefer dar; auch dann noch, wenn er sich in die Mythologeme des 19. Jahrhunderts versenkt. Ob in seinem Werkzyklus Sulamith/Margarethe, der, auf Paul Celans Gedicht Todesfuge und damit auf die Frage von Sagbarkeit und Sichtbarkeit in der Kunst »nach Auschwitz« rekurriert; ob in seinen fotografischen »Besetzungen« der von den Nationalsozialisten einst okkupierten europäischen Territorien oder in seinen Landschaftsbildern und Architekturphantasien – stets rufen seine Werke den Abgrund und zugleich die verführerische Faszination einer als genuin deutsch verstandenen Ästhetik auf. Der Vortrag erörtert die um dieses Œuvre entbrannte, kontroverse Debatte und befragt zugleich dessen »repräsentative« Funktion, die ihm, zumal im Ausland, oftmals zugesprochen wird. A. B.
Andreas Beyer ist Kunsthistoriker und Ordinarius für Kunstgeschichte der Neuzeit an der Universität Basel. Von 2009 bis 2014 leitete er das Deutsche Forum für Kunstgeschichte (Max Weber-Stiftung) in Paris. Er ist Sprecher des internationalen Forschungsverbunds »Bilderfahrzeuge – Aby Warburg’s Legacy and the Future of Iconology«.