Joseph Conrad sah seine Aufgabe darin, seine Leser mit dem geschriebenen Wort zum Hören, Fühlen und Sehen zu bringen. Dieter Jähnig ergänzte diesen Gedanken mit der Forderung, daß Kunst nicht zum Objekt gemacht werden dürfe, weil sie eine Quelle des Weltverstehens und der Zeitkritik sei. Und Horst Bredekamp lehrt, daß Bilder zu uns sprechen. Sie sind selbst Subjekte und damit Quellen der Einsicht. Wenn das, was die Kunst uns lehrt, tatsächlich Einsichten sind, verwendet sie dafür Maßstäbe, ähnlich wie die Wahrheit ein Maßstab des Wissens und das Gute ein Maßstab des Handelns ist. Gibt es analog dazu ästhetische Maßstäbe? Diese Frage ist immer wieder auf unterschiedliche Weise bejaht worden. Keine Antwort kennen wir bisher auf die Frage, ob und wie die ästhetischen Maßstäbe unser Sehen und Verstehen beeinflussen, ob wir anders sehen und anderes sehen lernen. Wenn dies der Fall wäre, würden uns die ästhetischen Maßstäbe helfen, die Wirklichkeit zu erschließen. W. V.
Wilhelm Vossenkuhl ist emeritierter Professor für Philosophie der Ludwig-Maximilians-Universität in München.