Ein Video von Corinna Schnitt: Vollendete Zukunft / Future Perfect (9 Min., 2015)
Acht Akteure, verteilt auf dem zentralen Rathausplatz Marl vor dem Skulpturenmuseum, rufen sich nacheinander mit Megaphonen alltägliche Sätze zu, als wollten sie eine Unterhaltung miteinander führen: „Wird er vielleicht im Lotto gewonnen haben?“ Oder: „Du wirst mir viel von deinen Erlebnissen erzählt haben.“ Formuliert im Futur II spielen diese Zurufe mit der Erwartung, dass bestimmte Handlungen zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft abgeschlossen sein werden. Die verwendete Zeitform schafft Distanz zum Hier und Jetzt, verfremdet die Leichtigkeit alltäglicher Konversationen und zeigt, wie stark gegenwärtiges Erleben von Erwartungen des Zukünftigen geprägt wird.
Der Einsatz von Megaphonen scheint heutzutage nicht mehr zeitgemäß, verweist in seiner Antiquiertheit jedoch geradezu ironisch auf heutige Kommunikationsformen: Wie im Internet werden einem imaginierten Publikum ohne Kontrolle und persönlichen Kontakt banale Erlebnisse des eigenen Lebens mitgeteilt. Rathausplatz und Skulpturenmuseum in Marl, errichtet in den 1970er-Jahren, zeugen vom strukturellen Neubeginn der Stadt mit dem Ziel, das Zentrum zu einem lebendigen Ort zu machen und funktionelle Bereiche optimal miteinander zu verbinden. Damals als Vorzeigemodell wahrgenommen und gelobt, zeigt sich heute, dass die utopische Idee von Stadt, der die städtische Struktur radikal weichen musste, sich auf lange Sicht nicht erfüllt hat.
Screenshot aus „Vollendete Zukunft“ von Corinna Schnitt