Cristóbal Halffter, einer der wichtigsten spanischen Vertreter zeitgenössischer Tonkunst, ist am 23. Mai 2021 in Ponferrada im Alter von 91 Jahren verstorben.
Als Sohn ostpreußisch-andalusischer Eltern wurde ihm das Kosmopolitische, das aus unterschiedlichen Quellen Gespeiste, schon sehr früh und von Haus aus vermittelt und wird ihn ein Leben lang innerhalb und außerhalb seines musikalischen Schaffens begleiten und beeinflussen.
Nachdem er seine Kindheit sowohl in Spanien als auch – für einige Jahre – in Deutschland verbracht hatte, begann der Sohn wohlhabender Eltern, in dessen Verwandtschaft auch zwei bekannte spanische Komponisten zu finden sind und dessen musikalisches Talent früh entdeckt wurde, zunächst 1947 in seiner Geburtsstadt Madrid Komposition zu studieren. Weitere Studien führten ihn u. a. nach Paris, Rom, London wie auch zu den Internationalen Darmstädter Ferienkursen nach Deutschland.
Schon in seinen frühen Kompositionen sind die Herkunftsverwurzelungen in struktureller Strenge auf der einen und südländischer Sinnlichkeit auf der anderen Seite auffindbar. Eine individuelle Klangsprache entsteht, die das Neue, das Zeitgenössische mit spanischer Tradition und – immer deutlicher – mit politischem Engagement amalgamiert. In den 1950ern gründete er die Generación del 51 und die Gruppe Nueva Música, die sich um ebendiese Verbindungen primär europäischer Avantgarde und spanischer Tradition bemühte und regelmäßige Konzerte mit Werken zeitgenössischer Komponisten (Boulez, Stockhausen etc.) veranstaltete.
1960 gelang ihm mit seiner seriell strukturierten Orchesterkomposition 5 microformas der internationale Durchbruch. Kurz darauf begann auch seine Lehrtätigkeit. Zunächst als Dozent für Komposition und Formenlehre am Konservatorium in Madrid, dessen Direktor er von 1964 bis 1966 war. In den 70er Jahren dozierte Halffter an der Universität in Navarra und bei den internationalen Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt, leitete das Studio für elektronische Musik der Heinrich-Strobel-Stiftung in Freiburg im Breisgau und war bis 1980 mehrfach in der Jury zu den Festivals der ISCM World Music Days tätig.
Als Dirigent arbeitete Halffter mit vielen bedeutenden Orchestern weltweit, so u. a. mit den Berliner Philharmonikern, dem Tonhalle Orchester Zürich und dem Orchestre National de France.
Neben Stipendienaufenthalten in Amerika (Ford Foundation) und Deutschland (DAAD) wurde sein künstlerisches Œuvre durch eine Vielzahl internationaler Preise gewürdigt, u. a. mit dem Prix Italia, dem Kulturpreis der Stadt Kiel sowie dem hochdotierten Preis der Fundación-BBVA Grenzen des Wissens.
König Juan Carlos von Spanien verlieh ihm die hochangesehene Verdienstmedaille der Schönen Künste. Er war u. a. Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaft und Künste in Paris, der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München (seit 2005), der Berliner Akademie der Künste und erhielt die Ehrendoktorwürde der Universitäten in León und Madrid.
Seine Werke thematisieren immer auch – neben den wiederkehrenden Auseinandersetzungen mit traditionellen Aspekten in der Musik – Halffters politisches Engagement gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Ein Spiegelbild brisant-aktueller Zustände und Problematiken unserer Zeit.
In Cristóbal Halffters opus magnum – seiner in einem zehnjährigen Schaffensprozess entstandenen Oper Don Quijote – spiegeln sich diese eindrucksvollen Diversitäten und unterschiedlichen, auch außermusikalischen Einflüsse eindrucksvoll wider.
Durch seinen Tod verliert die Welt einen Komponisten, der Kunst/Musik stets im Zeichen humanitärer Freiheitlichkeit, als Spiegel politischer und gesellschaftlicher Befindlichkeit und als Aufschrei gegen Unterdrückung und für die Bewahrung der Würde des Menschen komponiert hat.
Tobias PM Schneid