Wir teilten bis zum Abitur 1953 die Schulbank im Alten Gymnasium am Ägidienplatz in Regensburg. Dann trennten sich die viele Jahre lang parallel verlaufenden Wege. Eberhard studierte Germanistik und Anglistik in München, Würzburg und Dublin, promovierte über »Politische und geschichtliche Elemente in mittelalterlichen Jenseitsvisionen«, wurde Bibliotheksrat an der Bayerischen Staatsbibliothek und der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Zwei Jahrzehnte war er im Bayerischen Kultusministerium für das Archiv- und Bibliothekswesen zuständig, auch lange Zeit ein enger Mitarbeiter des damaligen Ministers Hans Maier, der ihn 1986 zum Generaldirektor der Bayerischen Staatlichen Bibliotheken ernannte. Keiner aus unserer Klasse hat es so weit gebracht. Die Laufbahn Eberhard Dünningers sieht nach zielstrebigem und erfolgsgekröntem Beamtentum aus.
Aber ihre Geradlinigkeit ist nur die eine Seite des Phänomens. Der Autor zahlreicher Bücher und Verfasser unzähliger Beiträge in Zeitschriften und Sammelwerken sowie von Vor- und Nachworten, der Herausgeber eines 1110 Seiten starken Bandes der »Bayerischen Bibliothek«, der die Literatur von der Romantik bis zum Naturalismus umfaßte, der Lehrbeauftragte und (seit 1992) Honorarprofessor für deutsche Literatur an der Universität Regensburg verfolgte noch ganz andere Ziele als eine prominente staatliche Position und einen gutbezahlten Ruhestand. Es ist erstaunlich und rühmenswert, wessen er sich wissenschaftlich oder auch »nur« liebevoll vermittelnd angenommen hat. Auch manche ehemaligen Mitglieder unserer Akademie sind darunter: Hans Carossa, Marieluise Fleißer und vor allem Georg Britting. Seine lückenlose Sammlung dieses in Regensburg geborenen Dichters hat er schon vor einigen Jahren der Staatlichen Bibliothek Regensburg geschenkt, die jetzt auch die Erbin seines gesamten Nachlasses ist.
Trotz mancher persönlicher Schicksalsschläge – des frühen Todes der Mutter, des Verlusts seiner Ehefrau und eines seiner vier Kinder – wirkte Eberhard fast immer ausgeglichen, freundlich und heiter. Aber diese Verbindlichkeit hatte ihre scharfe Grenze, wo es ihm um Essenzielles ging. Er sprach von einer persönlichen Leidensgeschichte, die für ihn mit dem Widerstand gegen die unglückselige Rechtschreib-Reform verbunden gewesen sei. Und sein mutiges Engagement im Hinblick auf die Opfer der Nazidiktatur kannte keine Nachgiebigkeit. Er lebte in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten wieder ganz im geliebten Regensburg, kämpfte als Stadtrat für die Umbenennung einer Straße, die den Namen des sehr belasteten Autors Florian Seidl trug, bezahlte aus eigener Tasche eine Gedenktafel für einen noch im April 1945 hingerichteten Mesner von St. Emmeram.
Eberhard Dünninger war der Sohn eines Würzburger Germanisten, der mit dem von Friedhelm Kemp unermüdlich gepriesenen Konrad Weiß befreundet gewesen war. Mir stehen mit Korrekturen übersäte Manuskriptblätter aus dem Nachlaß des 1940 gestorbenen Dichters vor Augen, erste Begegnung des Halbwüchsigen mit autographischer Poesie. Aber ich verdanke dem Jugendfreund auch die Weckung des Interesses für die exemplarische Geschichte meiner Geburtsstadt. Achtlos war ich im Vorhof der Emmeramskirche am Grabmal des bayerischen Geschichtsschreibers Aventinus vorbeigegangen. Eberhard wies mich auf das Spruchband hin, das sich über dem Bildnis des Humanisten aus Abensberg hinzieht: »Nascentes morimur« und »Homo bula est«. »Schon bei der Geburt sind wir dem Tod verfallen« und »Der Mensch ist eine Seifenblase«.
Albert von Schirnding