Den 95. Geburtstag am 20. September 2014 konnten wir mit Gerd Albers in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste mit einer ehrenden Zusammenkunft in großer Harmonie feiern. Den geistigen Mittelpunkt bildete das erzählende Gespräch mit dem Jubilar über einige für seinen Lebensweg und berufliches Wirken wesentlich erscheinende Tatsachen und Gedanken.
Mit der seiner Haltung entsprechenden Distanz schilderte er, freundlich-überlegen, vielfältige Begegnungen, die ihm das stürmische 20. Jahrhundert bestehen ließen.
Die geistige Lebendigkeit ließ nicht vermuten, daß wir so bald danach, am 31. Januar 2015, in der Akademie von unserem hochverdienten Präsidenten (1974-1983) Abschied nehmen mußten.
Der weite Blick auf die komplexen Zusammenhänge der Leben und Umwelt bewegenden Kräfte war Gerd Albers schon von Geburt an in der Familie eines über die Grenzen des Nationalstaates hinaus tätigen Ostasienkaufmannes in Hamburg mitgegeben.
Diese grenzüberschreitende Denkweise wurde durch eine herausragend-erfolgreiche Schulzeit mit dem Abitur am angesehenen humanistischen Gymnasium Johanneum in Hamburg weiter vertieft.
Um den Anschluß an die Partei des dritten Reiches durch eine Mitgliedschaft im NS-Studentenbund zu vermeiden, stellte er sein Interesse für ein Studium zurück, und wählte den Berufsweg der Seefahrt durch Eintritt als Offiziersanwärter in die parteifreie Reichsmarine. Dort wurde er nach Kriegsbeginn auf Zerstörern und Torpedobooten eingesetzt.
Er beendete seine Laufbahn als Kapitänleutnant eines Minensuchschiffes, das die verminte Nordsee wieder für die Zivilschiffahrt frei räumte.
Erst 1946 konnte Gerd Albers dann an der Technischen Hochschule Hannover das Architekturstudium beginnen und 1951 mit dem Diplom abschließen.
Dazwischen ermöglichte ihm ein Stipendium am Illinois Institute of Technology Chicago, 1948-50, den »Master of Science in City Planing« zu erwerben.
Diese Studien in den USA bei den aus Deutschland emigrierten Bauhausarchitekten Mies van derRohe und Ludwig Hilbersheimer prägten seine Auffassung von der Architektur der weißen Moderne als Zukunftsweg von Baukultur und Städtebau. Er zitierte später gerne den Ausspruch von Mies »I do not want to be interesting, I want to be good.«
Über die ihn bewegenden Fragen der hinter den räumlichen Erscheinungen stehendenWertvorstellungen promovierte er 1958 an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen bei Professor Kühn mit dem Thema: »Über den Wandel der Wertmaßstäbe im Städtebau«.
Der Berufsweg führte ihn in die Stadtplanung, zuerst nach Ulm (1952) und Trier. 1959 wurde ihm als Oberbaudirektor die Leitung des gesamten Bauwesens in Darmstadt übertragen. Seine herausragende Begabung umfassende Fragenkomplexe zu bewältigen und offene Probleme einvernehmlich zu lösen, ließen ihn zu einem international bekannt werdenden Experten fürStädtebau und Raumordnung aufsteigen. Die Verbindung von konkreter Planungspraxis und wissenschaftlicher Befragung von Werturteilen erweckten das Interesse in Fachkreisen und Politik.
Es folgte 1961 die Berufung und Ernennung zum ordentlichen Professor auf den Lehrstuhl für Städtebau und Landesplanung der Technischen Hochschule, heute Technische Universität München. Damit stand er unter dem Anspruch der Nachfolge von Theodor Fischer.
Bei Zeitgenossen und Berufskollegen werden die Begegnungen mit Gerd Albers in besonderer Hochachtung vor seiner in großen räumlichen und zeitlichen Maßstäben denkenden und wirkenden Persönlichkeit lebendig bleiben. Die Technische Hochschule München wählte ihn schon kurz nach seiner Berufung zum Rektor, er führte sie dann von 1965-68 mit Klugheit und Mut durch die beginnenden Studentendemonstrationen.
Eine besondere Auszeichnung bildete die Wahl zum ordentlichen Mitglied er Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München (1965). Auch hier wurden ihm durch das Kollegium Gemeinschaftsfunktionen als Direktor der Abteilung Bildende Kunst und dann als Präsident der Gesamtakademie übertragen, die er (1974-83) mit überlegener Tatkraft und Zuversicht wahrnahm. Gerade die Zusammenführung der Künste war ihm ein wesentlicher Wertmaßstab der Akademie.
Das freiheitliche Zusammenwirken der Kräfte, der von der Natur-Umwelt getragenen Kultur-Umwelt, bildete für Albers eine Grundbedingung für jede gelingende Zukunft, auf die gerade eine Akademie als Vereinigung der Schönen Künste hinwirken sollte.
Bei dem Dankvortrag über »Ansprüche an den Städtebauer«, bei der Verleihung der Cornelius-Gurlitt-Denkmünze für hervorragende Verdienste um den Städtebau – der höchsten Auszeichnung der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung – wies er 1978 auf die für alle Aktivitäten geltende Zusammenführung der Teilziele zu der Gesamtgestalt jeder Wirklichkeit. Er schrieb und führte aus:
Die Gesellschaft hat den Anspruch darauf – ob er ihr bewußt ist oder nicht – daß die städtebaulichen Entscheidungen aus einer Sicht getroffen werden, die Funktion und Form, Struktur und Gestalt gleichzeitig erfaßt. Dabei sind ökologische, soziale und ökonomische Beziehungen einzubringen. Raumstruktur und Raumgestalt gehören eng zusammen.
Aus der Vielzahl der Arbeiten sei noch eine 1997 erschienene weithin beachtete Veröffentlichung in den Bauweltfundamenten (Nr. 117) genannt: »Zur Entwicklung der Stadtplanung in Europa«. Hier weist Albers als Kern künftiger Konflikte und ihrer Lösungschancen auf die Probleme unserer eigenen Wertvorstellungen hin. Dies gilt vom örtlichen Detail bis zu den globalen Dimensionen unserer Kulturumwelt, für deren zukunftsfähige Gestaltung auch unsere Akademie öffentlich eintreten muß.
Helmut Gebhard