Helmut Gebhard hat als Architekt und als Ordinarius für Bauen im ländlichen Raum an der TU München den Beweis angetreten, daß Arbeit in der Verwaltung die bildnerische Kreativität nicht behindern muß. Nach dem Studium konnte Gebhard als Mitarbeiter mehrerer regionaler Bauämter in Bayern und schließlich als Regierungsbaudirektor an der Obersten Baubehörde in München Erfahrungen in den unterschiedlichsten Bauaufgaben sammeln. Diese Spezialkenntnisse machten ihn bei großen öffentlichen Bauvorhaben zum idealen Vorplaner und Gestalter.
Das erste staatliche Großprojekt, bei dem Gebhard die Rahmenplanung übertragen bekam, war die Universität Regensburg. Sie sollte als geschlossenes Ensemble auf einem Gelände südlich der gut erhaltenen Altstadt errichtet werden. Da Gebhard Regensburg aus seiner Zeit im dortigen Bauamt gut kannte, wurde er mit der Struktur- und Stadtplanung für den vorgesehenen Campus betraut. Später hat er dort auch die künstlerische Oberleitung übernommen.
Grundidee seines Strukturplans war eine von Süden nach Norden durch das Gelände führende grüne Achse, an deren nördlichem, der Stadt zugewandtem Ende die Domtürme sichtbar werden. Ungefähr auf halber Strecke weitet sich die Wegeachse zu einer Piazza. Die einzelnen Institutsgebäude sind an den Querwegen, die den Fakultäten zugewiesen sind, nebeneinander angeordnet. Zentrale Gebäude aber wie das Auditorium Maximum und die Unibibliothek gruppieren sich rund um die zentrale Piazza.
Von den Bauten selber hat Gebhard keinen errichtet, doch daß nach den Architekten- Wettbewerben auch noch ein Künstler-Wettbewerb für das Gelände ausgeschrieben wurde – er sollte eine anspruchsvolle künstlerische Ausgestaltung des öffentlichen Raums garantieren –, war sein persönliches Verdienst.
Als Gebhard den Auftrag bekam, in der niederbayerischen Gemeinde Birnbach nach Erbohrung der Thermalquelle das Gemeindegebiet neu zu ordnen, hat er in Absprache mit dem Landschaftsarchitekten Günther Grzimek das zu planende Kurviertel mit den Badeanstalten, Kliniken und Hotels so außerhalb der Ortschaft um die frisch gebohrte Quelle herum angeordnet, daß auf der Fläche zwischen dem Kur-Zentrum und dem Dorf auch noch das neue Verwaltungszentrum mit dem Rathaus Platz fand. Der hübsche alte Ortskern auf dem Hügel mit seinen Wirtshäusern blieb also unangetastet; er konnte restauriert werden. Und südlich der Kureinrichtungen wurde ein Erholungspark angelegt, der sich attraktiv in die weite Landschaft des Rotttals öffnet.
Wie Architektur aussieht, die Gebhard selber entworfen hat, zeigt wohl am eindrucksvollsten das 1976 errichtete Domgymnasium in Freising. Mitten im Denkmalensemble am Steilhang des Freisinger Dombergs war ein größeres Schulgebäude zu errichten. Zur Debatte stand, ob der am vorgesehenen Platz stehende Frührenaissancebau des »Philipp-Schlosses« abgerissen oder in die Planung einbezogen werden sollte. Gebhard plädierte für den Erhalt der baulichen Substanz. Er schlug eine Neugestaltung des Innenhofs sowie einen Neubau vor, der die Figur des ehemaligen Bischofssitzes nach Osten um einen weiteren Hof verlängerte. Um diesen Neubau am Steilhang auf der Höhe des Altbaus zu halten, mußten auf der Talseite mächtige Freipfeiler errichtet werden. Auf der Bergseite aber hat Gebhard auf die von der Domberggasse vorgezeichnete Schräge im Grundriß mit einer die Schräge nachzeichnenden Außenwand und auf der Hofseite mit einem stufenweisen Vorrücken der hier aufgereihten Klassenzimmer geantwortet. Die Zwänge, die sich durch das Einbeziehen des Altbaus und durch die beengte Lage am Steilhang ergaben, haben Helmut Gebhard also zu einer außergewöhnlichen Lösung inspiriert.
In mehreren Publikationen und in den von ihm betreuten Ausgaben der Zeitschrift Der Bauberater hat Gebhard seine reichen Erfahrungen im Umgang mit räumlichen Strukturen, mit landschaftlichen Gegebenheiten, mit ländlichen Bautypen, mit städtischen Ensembles und historischen Monumenten anschaulich zusammengefaßt. Und da er sein Wissen auch im Gespräch gut zu vermitteln verstand, ist er in Gremien gerne zum Vorsitzenden gewählt worden. In der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, in die er 1981 berufen worden ist, hat er von 1995 bis 2004 die Abteilung Bildende Kunst geleitet. Aber auch nach diesen Jahren ist er der Akademie als klug argumentierender Anreger und Mahner treu geblieben. Am 4. August 2015 ist Helmut Gebhard nach einem Spaziergang in München friedlich verstorben. Er war 88 Jahre alt.
Gottfried Knapp