Selbst wenn Hilmar Hoffmann nichts sagte, war ihm die Aufmerksamkeit sicher. Er war groß gewachsen, hatte ein eindrucksvolles Gesicht mit hoher Stirn und trug die Haare länger als bei Beamten üblich. Wie ein Künstler sah er aus, wie ein Bildhauer. Wenn er redete ‒ und Schweigen gehörte nicht zu seinen herausragenden Begabungen ‒, mußte man zuhören. Nicht nur, weil er etwas zu sagen hatte, sondern auch, wie er es sagte: er knetete und formte seine Worte so lange intensiv mit den Händen, bis sie in den beabsichtigten Satz paßten. Er war ein begehrter und begnadeter Redner, auch im Ausland, weil sein Englisch hervorragend war.
Hilmar Hoffmann gehörte mit einigen anderen sozialdemokratischen Kulturpolitikern – wie Heinz-Winfried Sabais, Herrmann Glaser oder Carlo Schmid – zu den klugen Köpfen der Nachkriegszeit, die nicht einfach so weitermachen wollten wie in der Zeit »davor«. Sein Konzept hieß »Kultur für alle«. In Büchern, Diskussionsrunden und Vorträgen hat der rhetorisch begabte junge Mann seit 1949 für die Idee geworben, daß nur eine breit gefächerte Aufklärungskultur den Rückfall in die Barbarei verhindern könne. Aber er hat eben nicht nur geredet und geschrieben, sondern auch etwas getan. Nach einem kurzen Regiestudium an der Folkwang-Schule in Essen war er bereits 1951 Direktor der Volkshochschule in Oberhausen, wo er 1954 die Westdeutschen Kulturfilmtage ins Leben rief, aus denen dann die Internationalen Kurzfilmtage hervorgingen. Daß der Aufbruch des Jungen deutschen Films mit dem Oberhausener Manifest gerade in dem sonst nicht gerade als Filmstadt berühmten Oberhausen stattfand, ist Hilmar Hoffmann zu verdanken, der von 1965 bis 1970 zum Sozial- und Kulturreferenten der Stadt ernannt wurde. Aber sein Ruhm als überzeugender Kulturpolitiker war inzwischen so gestiegen, daß er 1970 zum Kulturstadtrat von Frankfurt gewählt wurde, ein Amt, das er – unabhängig von der Partei, die im Rathaus regierte – zwanzig Jahre lang mit Bravour ausübte. Er hat dem vielen Geld, das sich inzwischen in Frankfurt versammelt hatte, mit Intelligenz, Charme und Insistenz verdeutlicht, daß es auch eine kulturpolitische Verpflichtung habe. Das Museumsviertel am Main ist das schönste Monument seiner kulturpflegerischen Tätigkeit.
1970 ging dieser umtriebige Mensch mit der sonoren Stimme nicht, wie es sich gehört hätte, in die Pension, um fortan einem seiner Hobbys zu dienen, nämlich der Beobachtung von Tauben (über die er ein Buch geschrieben hat), sondern wurde für acht Jahre Präsident des Goethe-Instituts – ein Job, den er geliebt hat. Inzwischen war er nicht nur in ganz Deutschland bekannt, sondern auch im Ausland, nicht zuletzt in Israel, wo er – hoch dekoriert – an Universitäten Filmtheorie und Kulturpolitik lehrte.
Wann immer man etwas brauchte ‒ einen Rat, eine Beziehung, einen Draht ‒, mußte man nur Hilmar anrufen. Er hörte zu, gab einen Rat, stellte eine Beziehung her oder knüpfte den Draht, und noch nach Jahren konnte er dann fragen: Was ist eigentlich aus dieser Sache geworden, wegen der … Nun kann man diesen hilfsbereiten Mann leider nicht mehr anrufen. Hilmar Hoffmann, geboren 1925 in Bremen, ist am 1. Juni 2018 in Frankfurt gestorben.
Michael Krüger