Peter Schreier, der am 29.7.1935 geborene große, lyrische Tenor, hat uns verlassen. Am 25.12.2019 ist er ‒ nach langer, schwerer Krankheit ‒ in seinem geliebten Dresden verstorben.
»Ein Tenor aber muss sein wie der rechte Zephir, wie Auroren, ein Hirte, ein Kavalier, der den Sinnen freien Lauf gibt – und alles rührt, so Tränen kömmen« – soll Mozart gesagt haben über das Stimmfach, für das er so wunderbare Partien geschrieben hat. Peter Schreier hat sie in unnachahmlicher, müheloser Weise verkörpert, und ich wähle bewusst das Wort »verkörpert«, denn Schreiers Bühnenpräsenz, seine sanguinische Körperlichkeit, sein inneres und äußeres Strahlen waren ein Teil seiner singulären Wirkung, gerade als Mozart-Tenor.
Peter Schreier war durch sein immenses Können eine Instanz geworden, ein Wegweisender, ein Sänger von Weltgeltung, dessen künstlerischer Lebensweg vorbildlich verlaufen ist.
Er hatte das Glück einer umfassend genossenen und genutzten Ausbildung und war schon im behütenden Elternhaus von frühester Kindheit an von Musik umgeben. Der Dresdener Kreuzchor unter der Leitung des berühmten Kreuzkantors Rudolf Mauersberger war dann das erste Ziel und die erste Adresse. Als Altsolist des international gefragten Chores war Peter Schreier schon in seiner Kindheit und Jugend viel auf Reisen. Sein fundiertes musikalisches Studium legte den soliden Grundstein für sein späteres, überragendes stilistisches Wissen und sein sängerisches Können. Ein Gesangsstudium und ein Chorleiter- und Dirigierstudium an der Dresdner Musikhochschule schlossen sich der Kreuzchortätigkeit an und geboren war ein Sänger, der zu einem der vielseitigsten Opern-, Konzert- und Liedtenöre des lyrischen Fachs wurde. Auf dem Gebiet der Bach- und Mozartinterpretation war er unerreicht, er war der Bachtenor schlechthin. Und wird es wohl bleiben bis in alle Ewigkeit, in die er sich jetzt zurückgezogen hat, um hier in unserer Gegenwart eine spürbare Lücke zu hinterlassen. Auch als exzellenter Dirigent war er gefragt, wobei sein Lieblingskomponist Bach und dessen Passionen seine Domäne waren.
Sein Publikum und seine Freunde werden ihn schmerzlich vermissen. Peter Schreier war ein kluger, nobler, bescheidener und warmherziger Mensch, liebenswürdig in des Wortes schönster Bedeutung: der Liebe, die man ihm entgegenbrachte, sogar mehr als würdig. Seine Kunst wird uns weiter begleiten – unzählige Aufnahmen sind entstanden. Sie sind nun das Vermächtnis eines der ganz großen Sänger, dem Gesang Herzensangelegenheit, Verpflichtung und Leidenschaft zugleich war.
Brigitte Fassbaender, Januar 2020