Thomas kam als Zehnjähriger mit seiner Familie aus der Schweizer Emigration nach Ostberlin. Fast selbstverständlich, daß die beiden Söhne den Weg des großen Vaters Wolfgang weiter gingen: zum Theater. 1980 war seine erste Arbeit an den Münchner Kammerspielen, Platonow von Tschechow. Ausgangspunkt einer intensiven gemeinsamen Arbeit über drei Jahrzehnte. Zuerst an den Münchner Kammerspielen, dann am Bayerischen Staatsschauspiel.
Zwischen Thomas und mir gab es eine freundschaftliche Nähe. Zwischen dem Regisseur Langhoff und dem Regisseur Dorn großen Respekt.
Zwischen dem Regisseur Langhoff und dem Theaterleiter Dorn gab es in der langen Zeit von über dreißig Inszenierungen intensive, auch kontrovers geführte Diskussionen, aber nicht einen einzigen Krach, nicht mal ein lautes Wort. Es ging immer um die gemeinsame Sache – in verschiedenen künstlerisch-ästhetischen Räumen. Das war umso bemerkenswerter, weil wir fast immer mit demselben Bühnenbildner arbeiteten: Jürgen Rose. Ich hatte die beiden bei Platonow zusammengeführt.
Zwischen – und mit uns, war auch Hans-Joachim Ruckhäberle, der hier in meinen Worten mitzuhören ist.
In der Zusammenarbeit mit Thomas hat uns immer wieder fasziniert, verblüfft und durchaus auch irritiert:
1. seine Souveränität im Umgang mit Stücken,
2. die Konkretheit seiner Inszenierungen
3. die Dynamik seiner Arbeitsweise
1.
Seine Souveränität im Umgang mit Texten bestand nicht nur aus genauer umfassender Kenntnis der Literatur. Ganz oft war es so, daß er immer schon – oft innerhalb der Familie, Vater, Bruder, inzwischen auch durch seine Söhne – Zugänge zu einem der Stücke kannte. Er spielte die Möglichkeiten durch. Und er gab sich immer sicher. Er wußte vorher »wie’s ging«, so sagte er jedenfalls.
Vordergründige Aktualität war für ihn nie der Anlaß ein Stück zu machen. Eher eine historisch-ideologisch-soziale Grundkonstellation, die die Ursachen erhellte, nicht nur die Auswirkungen. Dabei landete er ganz oft bei den bürgerlichen Stoffen, übrigens auch –nicht zufällig– bei den »gut-gemachten« Stücken. Und damit zugleich im Heute einer neubürgerlichen Selbstzufriedenheit, Behäbigkeit und doch auch Hysterie. Das Bürgerliche, das eigentlich keiner mehr kennen will und das es angeblich gar nicht mehr gibt. Thomas Langhoff hat es aufgespürt. In seinen Strukturen, vor allem in der Familie. In der Hölle, die so nah am Alltäglichen ist, daß ihr keiner entkommen kann. Diese Nähe führt zu der Konkretheit seiner Inszenierungen.
2.
Das Konkrete seiner Figuren bestimmt ihre Präsenz auf der Bühne, genau den Zeitraum, den sie auf der Bühne sind. Nichts davor und nichts danach. Oft und gerne hat Thomas während seiner letzten Münchner Inszenierung, DIE GEBURTSTAGASFEIER, Pinter zitiert. Auf Nachfragen nach dem Hintergrund bestimmter Figuren sagte der: »Ich habe verdammt keine Ahnung. ich weiß alles über die Figur, nachdem sie durch die Tür gekommen ist, aber nichts über ihre andere Seite.« Dahinter steckt ein gewisser Selbstschutz des Regisseurs, darin besteht aber auch Langhoffs »Realismus«. Ein »Realismus«, der sich nicht am Spekulativen, sondern an der direkten Anschauung und Anschaulichkeit orientierte. Bei ihm zeigten sich die »großen Sachen« immer im Detail. Es sieht so aus, als ob Thomas Langhoff, der bei den Proben die Figuren auf der Bühne liebte, sich mit ihnen verbündete, beim Entwerfen und Reden eine fast zynische Distanz zu ihnen hielt, um den Figuren unter die Oberfläche, buchstäblich unter die Haut kriechen zu können.
Das ist mehr als die Eigenart eines Regisseurs, es ist so etwas wie ein Programm, gegen den Idealismus jeder Art gerichtet: Das zunächst unter Umständen naturalistisch wirkende detail als ästhetische und ideologische Sperre gegen Formalismen jeder Art und damit als wesentliches Element der Inszenierung. Wenn das Meer eine Bedrohung ist – wie in seiner Inszenierung von Ibsens KLEIN EYOLF, dann regnet es einen ganzen Akt. Und damit lange genug um nicht als Naturalismus mißverstanden werden zu können. Was als scheinbar naiv angesehen werden könnte, als Illustration, ergibt insgesamt mehr.
3.
Fasziniert hat uns immer wie Thomas probierte. Seine Arbeitsweise war der zielgerichtete Tumult, laut, schnell, bewegt, viel Energie. Ganz direkt drückte sich diese darin aus, daß der Regisseur, der Schauspieler war, immer in Bewegung blieb, besonders häufig auf der Bühne. Es war durchaus zu erleben, daß die Schauspieler ihn erst einmal von der Bühne vertreiben mußten, um sich ihren Platz zu verschaffen. Thomas war dann immer ganz im Stück, im Handeln und Denken der Figuren und in ihren Situationen, manchmal mit und in ihnen verstrickt. So intensiv, daß er Zeit und Ort vergaß, Abstürze in den Orchestergraben inbegriffen.
Dieter Dorn