Als Walter Flemmer 2001 Ehrenmitglied der Akademie wurde, gab er als Berufsbezeichnung „Autor und Regisseur“ an. Geboren am 26. März 1936 in München, aufgewachsen, wie er in einem Interview zu seinem achtzigsten Geburtstag verriet: „mit den Märchen aus Tausendundeiner Nacht in einem Münchner Luftschutzkeller“1, studierte er Germanistik und Geschichte und wurde mit einer Arbeit über Herders Lyrik promoviert.
Seit 1962 war er beim Bayerischen Rundfunk tätig, zunächst als Redakteur dann als Hauptabteilungsleiter, Kulturchef und stellvertretender Fernsehdirektor.
Maßgeblich zeichnete er für die Gestaltung des dritten Fernsehprogramms und für BR alpha verantwortlich und war unter anderem Initiator von Sendungen wie Märchen der Welt, Das feuerrote Spielmobil, Zuschauen, Entspannen, Nachdenken, Schauplätze der Weltkulturen und alpha-Forum.
Von 2001–2011 war Flemmer Präsident der Bayerischen Akademie für Fernsehen, einer Initiative privater Programmanbieter und der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien. Parallel zu seinem Berufsweg im Medium Fernsehen trat er als Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen mit großer Bandbreite von der Lyrik, über die Prosa bis hin zu Sachbüchern hervor.
Flemmer verstand sich als „Geschichtenerzähler“2 und vermochte komplexe Sachverhalte anschaulich zu beschreiben. Aus seiner profunden Verwurzelung im katholischen Glauben, einer konservativen Grundhaltung aber auch aus seiner großen Affinität zur asiatischen, insbesondere der japanischen Kultur und dem Zen-Buddhismus machte er keinen Hehl. Sein Wirken wurde mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigt, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande, dem Bayerischen Verdienstorden und dem päpstlichen Silvesterorden.
Wieland Schmied, der ehemalige Präsident der Akademie, attestierte Walter Flemmer, „sich erfolgreich wie wenige andere dafür eingesetzt zu haben, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen seinen Kulturauftrag ernst nimmt und intensiv erfüllt. Was er regelmäßig in vielen Interviews und Aufsätzen gefordert hat, hat er selbst stets gewissenhaft in die Praxis des Fernsehalltags umgesetzt. Er hat dabei Themen aus dem Bereich der bildenden Kunst – vor allem in der Würdigung von Zeugnissen vergangener Kulturen – aber auch der Literatur und der Musik viel Platz eingeräumt.“3
Mit den beiden Komponisten und Akademiemitgliedern Peter Michael Hamel und Wilfried Hiller verbanden Walter Flemmer gemeinsame Arbeiten.
1995 vertonte Hamel Flemmers Leise im Munde der Nacht in seinem Chorwerk Oh, Erde … 1997 setzte er seine Texte der Passion zum Aschermittwoch der Künstler in Musik. Das Werk wurde im Prinzregententheater mit Dietrich Fischer-Dieskau uraufgeführt. Außerdem komponierte Peter Michael Hamel 1999 die Flemmer'sche Fassung der Menschenrechte für das Priener Gymnasium.
Wilfried Hiller erinnert sich wie folgt an den Librettisten seiner „Taschenoper“ Eine Geschichte sucht ihren Autor, den er als „äußerst sympathisch, kompetent und im Umgang unkompliziert“ beschreibt:
„Zum 90. Geburtstag von Tankred Dorst im Dezember 2015 dramatisierte Walter Flemmer eine Skizze von Dorst über einen Dichter, der sich weigert, sich von einer Muse küssen zu lassen. Den ungeküssten Dichter spielte bei der Uraufführung kein geringerer als Michael Krüger. Die Sopran-Muse Sibylla Duffe hatte alle Mittel in Bewegung gesetzt, den Dichter zum Schreiben zu bringen. Sein Blatt Papier blieb leer.
Die Reduzierung der Sprache auf das Wesentliche zeigte sich auch in Gedichten für das Buch Niemals im selben Fluss mit Reiseskizzen aus Asien von Antje Tesche-Mentzen.
Wir riefen den Mönch.
Durch das geschlossene Tor
singt eine Stimme.
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Stumm sind die Blumen.
Doch zwei Stunden schon
hör ich dem Lotos zu.“
In der Bayerischen Akademie der Schönen Künste galt Walter Flemmers besonderer Fokus den Abteilungen Literatur sowie Bildende Kunst und Architektur. Über viele Jahre besuchte er regelmäßig die Sitzungen und Veranstaltungen beider Klassen.
Stets freundlich und interessiert bleibt er, wie Florian Besold es in einem Portrait so treffend formulierte, mit einer „gelassenen Aufmerksamkeit gegenüber der Welt“4 in Erinnerung.
Am 21. Mai 2024 ist er in Unterschleißheim gestorben.
Katja Schaefer
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1alpha-Forum: „Walter Flemmer zum 80. Geburtstag“, Moderation: Christoph Lindenmeyer, Redaktion: Werner Reuß, ARD alpha 2016
2alpha-Forum: „Walter Flemmer zum 80. Geburtstag“, Moderation: Christoph Lindenmeyer, Redaktion: Werner Reuß, ARD alpha 2016
3Schmied, Wieland: „Wahlbegründung für Walter Flemmer“, Archiv der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München 2001
4Besold, Florian in: Alfons Schweiggert/Hannes S. Macher (Hrsg.) „Autoren und Autorinnen in Bayern, 20. Jahrhundert“, Dachau 2004