Walter Schmidinger, geboren 1933 in Linz, besuchte – nach einer Kaufmannslehre – das Max-Reinhardt-Seminar in Wien. Vom dortigen Theater in der Josefstadt ging er ans Düsseldorfer Schauspielhaus, nach Bonn, an die Münchner Kammerspiele, ans Bayerische Staatsschauspiel und schließlich ab 1985 an das Berliner Schillertheater. Später folgten noch das Deutsche Schauspielhaus Hamburg, das Burgtheater und schließlich ab 2003 das Berliner Ensemble.
Er arbeitete unter anderem mit Peter Zadek, Dieter Giesing, Hans Hollmann, Oscar Fritz Schuh, Kurt Meisel, Ingmar Bergmann, Luc Bondy und Bob Wilson.
In meiner Inszenierung an den Münchner Kammerspielen von Leonce und Lena mit Gisela Stein, Thomas Holtzmann, Lambert Hamel und Franziska Walser spielte er den Leonce.
Mitte der Neunziger konnte ich ihn wieder nach München locken: Erspielte, wieder an der Seite von Gisela Stein, in Der Mond im Gras von Bob Wilson, mit dem er danach noch einige Male arbeitete, u. a. Leonce und Lena am Berliner Ensemble.
Schmidinger war ein Theatermensch der besonderen Art; eine Herausforderung für jeden Regisseur. Er war schonungslos und dünnhäutig, gefährlich und gefährdet zugleich. Als Intendant ihn in ein Ensemble einzubinden war schwierig: Seine Absagen sind legendär. Als Schauspieler beherrschte Schmidinger die volle Bandbreite vom Charakterdarsteller bis zum Komiker. Vom Kaufmann von Venedig bis zum Weißen Rössl, von Thomas Bernhard bis Karl Valentin reichte sein Spektrum, dies stellte er auch als exzellenter Sprecher unter Beweis. Seine Stimme, seine Art zu sprechen beschrieb Armin Eichholz in der Welt zu Walter Schmidingers 70. Geburtstag:
[…] seine Kunst-Stimme: Sie verlangt ein letztes »Hör zu«. Noch beherrschter den stockenden Bildungsjargon à la Horváth. Skandiert, was ihm paßt. Verschleift Silben. Schmatzt Konsonanten. Raunzt wie ein Alpenkönig und brüllt wie Wallensteins Hauptmann. Und wenn man ihn in Berlin anruft, klingt’s vielleicht erst wie Kafka am Telefon. Beim Film arbeitete er mit Regisseuren wie Peter Schamoni, Ingmar Bergman, Karin Brandauer und Otto Schenk. Dem großen Publikum wurde er bekannt durch Rollen in Serien wie Der Alte, Derrick, Kir Royal und Tatort.
2006 erhielt er den Nestroy-Preis für sein Lebenswerk. Seine letzte Theaterarbeit war der Prolog in Peter Steins Wallenstein-Inszenierung. Am 28. September 2013 ist er achtzigjährig in Berlin gestorben.
Dieter Dorn