Schon während unserer Studienzeit an der Berliner Universität der Künste, damals noch Hochschule für Musik, verband Wolfgang Boettcher und mich eine intensive Zusammenarbeit bei gemeinsamen Konzerten.
Seine außergewöhnliche Musikalität, sein Farben- und Ausdrucksreichtum faszinierten mich immer wieder von Neuem. Es ging ihm nie um Selbstdarstellung, sondern immer nur um den Gehalt einer Musik, die Welt, die hinter der Konstruktion und dem Aufbau eines Stückes hörbar zu machen. Sein Sinn für musikalische Formen, Strukturen und sein ausdrucksvoller Ton, das Singen einer Phrase waren überwältigend. Wolfgang Boettcher lebte für und durch sein Instrument.
1963 wurde er Solocellist bei den Berliner Philharmonikern, wo er die Cellogruppe entscheidend mitgeprägt hat. Er war Gründungsmitglied der Gruppe Die zwölf Cellisten und des Brandis Quartetts. 1976 übernahm er eine Professur an der Universität der Künste, wo er ganze Generationen von Cellisten ausgebildet hat. Stilistische Probleme waren ihm fremd, er konnte alles spielen, egal aus welcher Epoche. Von früh an war es ihm ein Anliegen, sich für die zeitgenössische Musik einzusetzen. Viele Komponisten schrieben für ihn, darunter Boris Blacher, Giselher Klebe, Hans Vogt. Ich hatte das große Glück, dass er immer wieder meine beiden Soli spielte, mein Doppelkonzert, das ich für ihn und den Geiger Ulf Hoelscher geschrieben hatte, und zusammen mit Dietrich Fischer-Dieskau und dem Concertgebouw-Orchester unter Gerd Albrecht in Amsterdam mein Stück Wolkenloses Christfest.
Bei Proben mit Wolfgang waren erklärende Worte kaum nötig, er begriff sofort den formalen und strukturellen Ablauf eines Stückes, auch in den Teilen, die ohne Metrum notiert sind. Er kam mit eigenen Ideen und Vorschlägen, ein mitdenkender Interpret, der sich das, was er spielte, immer wieder neu erarbeitete und durchdachte.
Ich habe Wolfgang Boettcher unendlich viel zu danken für seinen ständigen Einsatz für meine Musik, für seinen Ideenreichtum und die vielen Anregungen, für seine Offenheit und menschliche Wärme.
Aribert Reimann