Am 15. Oktober 2023 verstarb unser Mitglied Wolfgang Pehnt im Alter von 92 Jahren. Zahlreiche Nachrufe sind zum Tode dieses Großen der Architekturliteratur erschienen. David Kasparek überschreibt und schließt seinen treffend: „Einmal so schreiben können wie er“ (in Die Architekt, 06/23). Die Sprache Pehnts – in seinen zahlreichen grundlegenden Büchern und Aufsätzen zur historischen und zeitgenössischen Architektur – war von bewundernswerter Eleganz, Leichtigkeit und Präzision. Man spürt darin sein tiefes Verständnis, sein kritisches Bewusstsein, aber auch seine tiefe Menschlichkeit, sein Interesse und sein Engagement für die gesellschaftliche Relevanz von Architektur. Die Titel vieler seiner Bücher sind kleine Sprachkunstwerke:
Der Anfang der Bescheidenheit und Das Ende der Zuversicht, beide 1983 erschienen, Die Erfindung der Geschichte, 1989, Die Plangestalt des Ganzen und Die Regel und die Ausnahme, beide 2011, oder Städtebau des Erinnerns von 2021. Diese Bücher sind ebenso wie seine Standardwerke Die Architektur des Expressionismus und Deutsche Architektur seit 1900 weder reine Architekturgeschichte noch reine Architekturkritik, sondern ein eigenes Genre: Sie sind tiefgründige und zugleich spannende und unterhaltsame Architekturliteratur – in einer Sprache, die Architekturgeschichte und aktuelle Themen auch über ein Fachpublikum hinaus interessant und verständlich macht.
Wolfgang Pehnt wurde 1931 in Kassel geboren. Er studierte Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie in Marburg, München und Frankfurt am Main, wo er mit einer Arbeit über Zeiterlebnis und Zeitdeutung in Goethes Lyrik promovierte. Pehnt begann als Lektor im Stuttgarter Gerd Hatje Verlag und wechselte 1963 zum Deutschlandfunk, wo er als Redakteur und Leiter der Abteilung Kunst und Literatur über 30 Jahre bis 1995 tätig war. Anschließend lehrte er – vom Land Nordrhein-Westfalen zum Honorarprofessor ernannt – bis zu seiner Emeritierung 2009 am Kunstgeschichtlichen Institut der Ruhr-Universität Bochum. Seine Verdienste um die Architekturvermittlung wurden mit zahlreichen Preisen gewürdigt, unter anderem mit der Ehrendoktorwürde der Universität Kassel.
Neben Publikationen, Herausgeberschaften, Vorträgen und Lehrtätigkeit war er an zahlreichen wichtigen Ausstellungen beteiligt, unter anderem zum Werk von Rudolf Schwarz, dem er auch mehrere Bücher widmete. Pehnt war in Wort und Schrift ein kritischer Kämpfer für die Qualität der Architektur auf allen Ebenen. Seine Bücher werden bleiben – ebenso wie sein Kölner Wohnhaus, das er samt Bibliothek der TH Köln für Forschung und Lehre zur Verfügung stellte. Ein Vermächtnis, das heute einigen Studenten als Wohnheim dient und der Hochschule als Ort des Forschens und Lernens – und als Treffpunkt für Architekturdiskussionen. Ein lebendiges Vermächtnis also – ein Ansporn, die Themen und Diskussionen weiterzuführen – auch wenn seine Stimme nun verstummt ist.
Um diese Stimme noch einmal erklingen zu lassen, möchte ich mit einem Zitat aus Pehnts Vorwort zur Deutschen Architektur seit 1900 schließen: „Immerhin wünsche ich mir, es könnten auch Leser zu diesem Buch greifen, die das Interesse nicht des vorinformierten Kenners motiviert, sondern des für alle Kulturerscheinungen offenen Bürgers. Von ,Baukultur‘ war in den Jahren, in denen ich an diesem Buch schrieb, oft die Rede. Dazu gehört auch zu wissen, welche Vorstellungen und Leistungen Architekten und Planer entwickelt haben, wo sie gescheitert sind und wo sie Erfolg hatten, welche Kräfte sie behindert oder gefördert haben, was auf dem langen Wege zum heutigen Zustand an Können, Qualitäten und Ideen verlorengegangen ist. Worüber es sich zu trauern lohnt und wo man das Trauern besser sein läßt, um sich Gegenwart und Zukunft zuzuwenden und zu erkunden, wo neue, vielleicht bisher unerkannte Chancen liegen könnten.“
Muck Petzet