Um Christa Berndl war es in den letzten Jahren still geworden. Zuletzt spielte sie unter der Regie von Peter Zadek die Margret in Shakespeares Richard III., im Jahr 1997 am Wiener Burgtheater. Im Fernsehen sah man sie 2006 noch einmal, als eine verwitwete Großmutter in der Slapstick-Komödie Leo. Am 10. August 2017 ist die großartige Schauspielerin und Eysoldt-Ring-Trägerin Christa Berndl im Alter von 85 Jahren verstorben.
Christa Berndl war eine geborene Münchnerin. 1947 stand die damals 15jährige als Gretchen in Goethes Urfaust auf der Bühne des Residenztheaters. Rasch folgten erste Engagements in Stuttgart, Augsburg, Kiel, Essen, Nürnberg und dann die alles entscheidende Bindung an die Münchner Kammerspiele. In der Uraufführung eines thematisch brisanten Zeitstückes von Paul Mommertz, Aktion T4, gewann sie Publikum und Presse. Von nun an ging der Weg stetig bergauf. Als Jean Anoilh an den Kammerspielen Victor oder Die Kinder an der Macht von Roger Vitrac für Deutschland erstaufführte, hatte sie bereits ihren festen Platz im Ensemble. Unter Hans Schweikart spielte sie mit großem Erfolg in Ludwig Thomas Magdalena, Heiteres, Groteskes wie die Dame in Feydeaus Floh im Ohr oder die aufgedonnerte Hure in Sperrs Koralle Meier bei den Ruhrfestspielen. In Hamburg war sie als Emilia in Peter Zadeks spektakulärer Othello-Inszenierung zu erleben, unvergessen bleibt ihre Winnie in Becketts Glückliche Tage unter der Regie Luc Bondys in Köln. Vielseitigkeit, mühevoll und doch mühelos erscheinende Anverwandlung unterschiedlichster Frauengestalten – das war einer der schauspielerischen Wesenszüge der Christa Berndl. Sie kombinierte, wenn nötig, extreme Traurigkeit und extreme Komik. Wenn sie die Bühne betrat, faszinierte sie ihr Publikum, sie hatte eine Aura um sich: die Berndl. Auch für kleinere Rollen fand sie jene entscheidende Nuance, die der Figur etwas Großartiges, ein unverwechselbares Profil gab. Wo immer sie auch auftrat, hielt sie äußerste Disziplin, vermied jede Übertreibung, blieb streng im Rahmen der Dimension einer Rolle. Ihre Frauengestalten kamen dem Zuschauer deshalb so vertraut vor, weil sie sich völlig dem darzustellenden Menschen hingegeben, anverwandelt hat. Das Geheimnis ihrer Kunst bestand darin, in jedem Augenblick absolut präsent zu sein. Ob sie nun lachte, frech oder traurig war, ob sie menschliche Kühle darstellte oder Selbstbewußtsein oder ob sie sang, was sie hervorragend konnte. Die Kraft ihrer Menschlichkeit übertrug sich unmittelbar, ein spontaner Funke, der sofort zündete. Die Theaterwelt verliert mit ihr eine große Schauspielerin.
Stefan Hunstein