Ins Wort
Als ich zur See fuhr, bekam ich viele Ratschläge. Einer von ihnen hieß, die stetigste Art zu fischen, sei die Sintflut und ihr Ende. Dann läge alles da. Und je schneller man diesen Vorgang wiederhole, desto reicher sei der Fischzug. Wenn ich etwas lese, denke ich auch sonst oft, hier ist Sprache oder hier ist keine. Daraufhin befragt, was das heißen solle, wurde mir klar, dass es hieß, das hat Schweigen in sich und das nicht.
Derjenige, der schreibt, ist derjenige, der Ratschläge gibt, die nicht zur Vernichtung, sondern zur Erweckung führen. Alle Mitteilungen sind heute gefährdet. Aber derjenige, der schreibt, ob beredt oder unberedt, setzt das Schweigen dagegen. Das bedeutet für mich immer wieder: das Ergebnis des genauesten, stillsten Hinhörens, das Ergebnis des Schreibens, das Schreiben selbst.
Ilse Aichinger
Ilse Aichinger, eine der großen Schriftstellerinnen unserer Literatur, vollendet am 1. November ihr 85. Lebensjahr. Seit 1962 ist sie Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Für ihren frühen Roman Die größere Hoffnung, ihre Gedichte, Hörspiele und Prosastücke, die in viele Sprachen übersetzt wurden, erhielt sie zahlreiche literarische Auszeichnungen, u. a. den Großen Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und den Großen Österreichischen Staatspreis. Aus Anlaß ihres Geburtstags zeigt die Akademie eine Ausstellung ihrer
Photo-Porträts aus vierzig Jahren von Stefan Moses. Die Literatenklasse ehrt Ilse Aichinger mit einer Lesung aus ihren Werken.
Die Ausstellung ist noch bis zum 7.1.2007 in der Akademie zu sehen. Geöffnet Di–So von 10–17 Uhr. Geschlossen montags und am 24., 25. und 31.12.2006 sowie am 1.1.2007.