Seit es Literatur gibt, steht sie unter rechtlichem Verdacht. Ihre Geschichte ist geradezu eine Geschichte der Prozesse gegen sie und wider ihre vermeintlich religions-, staats-, majestäts-, rechts- und moralzersetzenden Tendenzen. Kaum einer der großen französischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts entging der Anklagebank, und wie viele deutsche Dichter von Nestroy bis Wedekind vom Gefängnis bedroht waren, darüber ließe sich eine ganze Literaturgeschichte schreiben. Und die Geschichte der Literatur vor Gericht ist noch nicht zu Ende, wie die jüngsten Prozesse gegen Romane wie Maxim Billers Esra und Albin Nicolai Herbsts Meere zeigen. Doch das Forum hat sich radikal verändert: nun führt nicht mehr das öffentliche Recht, sondern das Privatrecht das Wort. Der Richter muß zwischen den Rechtspositionen der Kunstfreiheit und des Persönlichkeitsrechts abwägen. Was aber ist Kunst, wie weit reicht ihre Freiheit?
Diesen Fragen gehen im Forum des Monats die Schriftsteller und Juristen Martin Mosebach und Herbert Rosendorfer, die Kunstrechtsexperten Erik Jayme und Bernhard Losch sowie die Germanisten Dieter Borchmeyer und Peter Horst Neumann nach. Dieter Borchmeyer