Im Vortrag von Wieland Schmied geht es um die Beschreibung eines neuartigen, auf jeden Fall überraschenden Moments der »Heimatverbundenheit« bei Thomas Bernhard. Denn die meisten von Bernhards Büchern sind an bestimmten Orten angesiedelt und in einer anderen Weltgegend als im oberösterreichischen Traun- und Hausruckviertel kaum vorstellbar. Gmunden am Traunsee – wo Bernhard vor rund 20 Jahren, am 12. Februar 1989, gestorben ist – war ihm in diesem Sinn seit den frühen sechziger Jahren zur Heimat geworden. Gmunden liegt nicht weit von der Region um Henndorf und Seekirchen entfernt, wo der Dichter aufgewachsen ist. Die Ortsnamen, die in seinen Texten vorkommen, finden sich auf jeder Landkarte Oberösterreichs. So ungewöhnlich sie für alle, die nicht hier zu Hause sind, klingen mögen, für Bernhard waren sie »Zauberworte«. Es genügte sie auszusprechen, und ihr Ambiente umgab den Erzähler. Für Thomas Bernhard war ein Denken in Gegensatzpaaren charakteristisch, das ihn etwa die Schönheit einer Landschaft, die seine Heimat war, mit der Ablehnung der politischen Kaste, welche dieses Land offiziell repräsentierte, konfrontieren ließ – oder er stellte das geschichtsträchtige jahrhundertealte Gemäuer eines Schlosses der »plumpen Hässlichkeit« moderner Bauten gegenüber.
Wieland Schmied kannte Thomas Bernhard durch beinahe 35 Jahre und hat ihn auf vielen Stationen seines Weges begleitet. Schmied war von 1995–2004 Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.