Der chinesische Schriftsteller Mo Yan (geb.1956) gehört zu den weltweit bekanntesten lebenden Schriftstellern aus der VR China. Seine Bücher werden nicht nur in China – wenn auch bisweilen verboten – viel gelesen. Sie sind auch in viele Sprachen übersetzt. In deutscher Übersetzung liegen ab Herbst fünf seiner Romane vor. Als Bauernsohn in der Provinz Shandong aufgewachsen, ist Mo Yan mit seinen zahlreichen Romanen als Historiograph einer alternativen Geschichte der Volksrepublik China bekannt geworden. Seine Bücher handeln vom Leben der Bauern jenseits der Clichés, welche die Parteigeschichtsschreibung für sie parat hat. Den Helden der Revolution stellt Mo Yan Bauern in ihrem täglichen Überlebenskampf entgegen, einem Kampf, der mit großer Härte, einem gehörigem Maß an Anarchismus, mit Niedertracht und Schamlosigkeit ausgetragen wird. Zugleich feiert er den Überlebenswillen und die Anpassungsfreude, den viel gerühmten Pragmatismus und Opportunismus seiner Bauern. Für Mo Yan ist die chinesische Gesellschaft des zwanzigsten Jahrhundert eine bäuerliche Gesellschaft, die der Modernität des 21. Jahrhunderts immer noch ihren Stempel aufdrückt.
Am 1. Oktober 2009 wird die Volksrepublik China sechzig Jahre alt. Sechzig Jahre stehen nach dem traditionellen chinesischen Kalender für fünf Zyklen des Zwölf-Jahres-Rhythmus, ein wichtiges Datum also, das danach ruft, Bilanz zu ziehen und einen Ausblick auf die Zukunft zu wagen. Mo Yan wird als Chronist seiner Zeit im Gespräch mit der Wiener Sinologin Susanne Weigelin-Schwiedrzik und dem Pekinger Germanisten Huang Liaoyu seinen Blick auf 60 Jahre VR China darlegen und seine Zuhörer in eine Welt führen, die außerhalb Chinas kaum bekannt sein dürfte. Dieter Borchmeyer