Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat in der Musik die Raumdimension stark an Bedeutung gewonnen. Wer in musikalischen Dingen heute vom Raum spricht, bezieht sich nicht mehr nur auf metaphorische Räume wie jenen der Harmonik oder auf den kompositorischen Gebrauch von Echowirkungen und Lontanoeffekten. Der Raum ist vielmehr heute selbst ein zentraler Gegenstand des Komponierens und der musikalischen Gestaltung. Wesentliches Movens für diese Entwicklung waren die neuen Möglichkeiten, mittels technischer Übertragung und Speicherung, den musikalischen Klang vom Ort und von der Zeit seiner Hervorbringung abzulösen. Die damit sich eröffnenden Perspektiven, insbesondere die Möglichkeit, den Klang in den Raum zu projizieren, beflügelten die künstlerische Phantasie der Komponisten ungemein. Zugleich wirkte das neue musikalische Raumdenken aber auch zurück auf das Komponieren für Stimmen und/oder Instrumente und brachte neue künstlerische Formen wie die Klanginstallation hervor. Ulrich Mosch
Ulrich Mosch ist Privatdozent für Musikwissenschaft an der Universität Salzburg und Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Paul Sacher Stiftung in Basel, dort Kurator von derzeit 25 Nachlässen und Sammlungen von Komponisten, darunter Igor Strawinsky, Luciano Berio, Hans Werner Henze, Helmut Lachenmann und Wolfgang Rihm. Veröffentlichungen u. a. zum musikalischen Hören, zur Musikästhetik und zur Musikgeschichte vorwiegend des 20. Jahrhunderts.