Schumann ist unter allen lebenden Meistern der Mann mit dem weitesten Streben; jede Form, jedes Gebiet – und fast immer mit Erfolg – versuchend, verläßt er es sogleich, um ein neues zu betreten. So schreibt 1849 der Kritiker Louis Ehlert in der Preußischen Staats-, Kriegs- und Friedenszeitung. Das »weiteste Streben« meint zumal Schumanns Streben nach einer Verschränkung der Künste und die Erfindung einer »poetischen Musik«. Nicht nur in seiner Vokalmusik, vor allem in seinen Liedern, sondern auch in seiner Instrumentalmusik geht er vielfach von außermusikalischen Gedanken und Vorstellungen, von poetischen Ideen aus, die er ohne Worte in Töne zu setzen sucht. Das verraten schon die Titel seiner Klavierkompositionen: Papillons, Carnaval, Kreisleriana, Fantasiestücke oder Kinderszenen, in denen er »Gestalten und redende Charaktere« versammelt. Und erst recht bahnt ihm die »Zuflucht zur Poetik« den Weg zu den »Königsgattungen«: der Symphonie, dem Streichquartett, der Kammermusik in ihren verschiedenen Besetzungen. Die Instrumente sollen nicht nur absolute Musik zum Erklingen bringen, sondern »etwas zu sagen« haben, und so führen sie oft in ihrem sprachhaften, erzählerischen oder szenischen Duktus innere Monologe und Dialoge ohne Worte. Schumann repräsentierte so einen neuen philosophisch-literarischen Komponistentypus, der – aus der romantischen Idee der Universalpoesie und Gesamtkunst geboren – über Wagner weit in die Moderne vorausweist. Dieter Borchmeyer
In Zusammenarbeit mit dem Internationalen Musikfestival Heidelberger Frühling