»Zeichnen ist weglassen!« Dieses von Max Liebermann überlieferte Wort trifft, obwohl weniger geläufig, auch auf die Bildhauerei zu, jedenfalls in größerem Umfang auf die von Auguste Rodin (1840–1917). Schon relativ früh erprobte Rodin dieses Prinzip in seiner plastischen Praxis. Von traditionellen Vorstellungen ausgehend näherte er sich schrittweise einer von konventionellen Modellen und Accessoires befreiten Form, wie bei der Entstehung so berühmter Figuren wie dem Ehernen Zeitalter bis zur letzten Großstatue seines Balzac-Denkmals. Ganz ungewöhnlich war sein chef-d'œuvre, die Höllenpforte, an der er über 30 Jahre arbeitete, um immer wieder Teile zu ergänzen und auszuwechseln, wie in einer späten Phase die kleinfigurigen Reliefs an der Basis, die von Goethes Faust, zweiter Teil, inspiriert sind. Daneben setzte er ein symbolistisches Selbstbildnis, das erst spät als solches erkannt wurde. Es hatte die Bedeutung einer Signatur, ähnlich wie bei spätgotischen Werken, aber in einer nicht historistischen, sondern in damals moderner Form, als kauernder, nackter älterer Mann, dem eine kleine Muse ins Ohr flüstert.
Das Weglassen betrifft auch Figurenteile, die Rodin gleichsam amputiert: er reißt Hände oder ganze Arme von zunächst vollständig modellierten Gestalten ab, wurde in derartiger Aktion auch karikiert. Entscheidend war, daß er den Torso – wie den großen Schreitenden ohne Kopf und Arme – als in sich gültiges Kunstwerk konzipierte und damit einen ganzen Motivkreis schuf: die Torsofiguren von Lehmbruck, Maillol, Brancusi, Archipenko bis Henry Moore, Wilhelm Loth, Fritz Koenig u. a.; Rodins Wirkung war also weit über seinen Tod Ende 1917 hinaus äußerst gewaltig.