Wie und was wir bauen, ist nicht nur ein Spiegel unserer Gesellschaft, sondern wirkt zugleich auf diese zurück. Die gebaute Welt formt unsere Lebensweise, unser individuelles wie gesellschaftliches Tun, Fühlen und Denken. Das erklärt vielleicht, warum Projekte wie das Berliner Schloss oder Stuttgart 21 eine solch ungeheure emotionale Kraft entfaltet haben und hitzige Auseinandersetzungen entfachen konnten. Bei Bauwerken wird nicht nur um ästhetische, infrastrukturelle oder ökonomische Fragen gerungen, sondern letztlich auch darum, welche zukünftige Gesellschaft wir wollen. Gerade in einer Demokratie, in der alle Menschen aufgerufen sind, politisch mitzuwirken und ihre Welt zu gestalten, sind die unterschiedlichen architektonischen Entwürfe wie visionäre Leitbauten der verschiedenen Weltanschauungen, die oft unversöhnlich scheinen.
Dem Philosophen und Ethiker erlauben die gegenwärtigen Architekturdebatten daher, einen diagnostischen Blick auf seine Zeit zu werfen, moralisch den Zeigefinger zu heben und einige therapeutische Vorschläge zu machen.
Christian Illies studierte Biologie, Philosophie und Kunstgeschichte. Von 2002 bis 2008 Professor an den Technischen Universitäten Eindhoven und Delft für Philosophie der Kultur und Technik, seit 2008 Inhaber des Lehrstuhls für Praktische Philosophie der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört neben Ethik, Anthropologie und Philosophie der Biologie vor allem Philosophie der Architektur.