Goethes Faust ist ein Werk voller Musik, von instrumentalen, lied- und kantatenhaften Einlagen über szenische Analogien musikdramatischer Formen bis zu einer symbolischen Welt der Töne. Doch Faust als ganzer ist zu sehr imaginäre Oper, als daß er eine reale hätte werden können. Die zahllosen Faust Opern des 19. und 20. Jahrhunderts entfernen sich denn auch weitgehend von Goethes Weltdichtung. Und der Versuch einer Vertonung der Originaldichtung beschränkt sich auf einzelne liedhafte »Nummern« oder ist symphonisch-oratorische Exegese des authentischen Textes wie Franz Liszts Faust-Symphonie (1857), Robert Schumanns Szenen aus Goethes Faust oder Gustav Mahlers Achte Symphonie (1910). Schumanns Faust-Szenen sind – als musikalische Annäherungen an Goethes Opus summum – in den Jahren zwischen 1844 und 1853 fast rückwirkend entstanden. Zuerst komponierte Schumann die finale »Anacho retenszene« (Fausts Verklärung), die 1849 als selbständiges Werk zur Aufführung gelangte, in einer Zeit, als Faust II noch Scham und Spott der literarischen Kritik war. 1850 folgten die beiden ersten Teile, und 1853 wurde das nunmehr dreiteilige Werk mit der Ouvertüre abgeschlossen.
Ruth Ziesak, Christian Gerhaher, Tareq Nazmi und Gerold Huber präsentieren in einer Klavierfassung des orchestralen Werks Auszüge aus Goethe-Schumanns »verkappter Oper«, wobei alle drei Teile zur Geltung kommen. Dieter Borchmeyer