Als Ende Oktober 1939 die »Ostgebiete« eingegliedert und das »Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete« geschaffen wurden, waren Architekten, Städtebauer und Landschaftsanwälte sofort bereit, aus der »wiedergewonnenen« Provinz Posen »deutsches Land zu machen«. Als »Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums« berief der gelernte Gärtner Heinrich Himmler den Raumplaner Konrad Meyer zum Chef seiner Planungsabteilung: bereits am 24. Januar 1940 legte er die »Planungsgrundlagen für den Aufbau der Ostgebiete«, den Vorläufer des berüchtigten »Generalplans Ost« vor. Im Jahr darauf hieß es, den Osten bis zu Wolga und Don zu besiedeln, nachdem von dort 31 Millionen Menschen nach Sibirien verschleppt sind. So ergaben sich ungeahnte »Aufgaben« für eine ganze Generation von Architekten, die nicht an die Front beordert wurden, sondern an Schreibtischen als Vordenker der Vernichtung (G. Aly u. S. Heim) tätig waren. Dieser Geschichte hat sich Deutschlands Architektenschaft nie gestellt. In den vielen Gesprächen, die ich Ende der 1980er Jahre mit Architekten führte, die im Osten tätig waren, fand sich kein Nachdenken, kein Bedauern; sie waren immer noch erfüllt von den großen Herausforderungen. Niels Gutschow
Niels Gutschow, geb. 1941, Architekturstudium, Aufbau einer Abteilung Denkmalpflege für die Stadt Münster. Publikationen zu Zerstörung und Aufbau während des Zweiten Weltkrieges (z. B. Ordnungswahn. Architekten planen im »eingedeutschten Osten« 1939 -1945). 1988-96 Archivrecherchen in Polen und Moskau, Gespräche mit deutschen Architekten sowie polnischen, die im Untergrund den Wiederaufbau planten. Forschungen zu »Stadt und Ritual« in Nepal und Indien. Arbeitet im Odenwald und in Nepal. Honorarprofessor am Südasien-Institut der Universität Heidelberg.