Die »schreckliche existentielle Leere«, die Pasolini in den 60er Jahren um sich herum wachsen sieht, weckt in ihm den Wunsch nach Traum und Flucht: »Afrika! Meine einzige Alternative …«. Die Flucht ist seit langem vorbereitet. Seinen Gedichtband, Poesie a Casarsa (1942), hat der junge Dichter dem Vater in die Kriegsgefangenschaft nach Kenia geschickt. Eine liebevolle, aber auch rebellische Geste. Denn für den Vater waren die Bauern des Friuli minderwertig, »fast Neger, die er verachtete«. Afrika wird so zum Feld der Auseinandersetzung mit dem Vater. Il padre selvaggio (Der wilde Vater) sollte 1962/63 die Auseinandersetzung junger Afrikaner mit ihren archaischen Vätern schildern, den Konflikt von Vorgeschichte und Geschichte. Das Projekt scheitert, aber 1968/1969 dreht Pasolini sein Material für eine afrikanische Orestie. Die große Erzählung von der Geburt der Demokratie und der Versöhnung der Erinnyen zeigt, was Pasolini unter »Aufhebung der Vorgeschichte« versteht.
Pasolini spricht von »Notizen zu einem noch zu drehenden Film« und erfindet ein neues Genre, um sich in der magmatischen Struktur seiner Widersprüche frei zu bewegen. Im Kurzfilm Le Mura di Sana'a wendet sich Pasolini – überwältigt von der archaischen Schönheit der Stadt – an die UNESCO mit der Bitte um deren Schutz. Hans Peter Kammerer