Schreibend haben wir begonnen, uns eigenhändig in unsere Schriftkultur einzuleben. Über die Jahre gewann unsere Handschrift ihren Charakter. Man sieht ihr an, wer wir sind und wie uns zumute war im Augenblick des Schreibens. Wie eine Stimme teilt sie anderen mehr mit als die bloßen Worte. Diesen persönlichsten Anteil der Mitteilung, Erzählung oder Reflexion bewahrt sie, so lange sie im Schriftstück existiert.
Unterwegs, in flüchtigen Erfahrungen oder ergreifenden Lebensstrecken sind unsere handschriftlichen Eintragungen ein Mittel der Selbstverständigung – nur Papier und Stift sind dafür nötig.
In Protokollen, Bestandsaufnahmen, Notizen von Chronisten bezeugt die Handschrift, welcher Mensch für die Wahrhaftigkeit der Aufzeichnungen bürgt: ein unverwechselbares Zeugnis.
Handgeschriebene Texte zu lesen, kostet Zeit und Anteilnahme. Mit beidem geizen wir. Darum soll allein die rasch zu überfliegende Digitalschrift noch zeitgemäß sein. Starke Interessengruppen wollen das durchsetzen. Sie verbünden sich mit Pädagogen, die schnelle Einübung in Druckschrift für ausreichend halten und Geduld für die Schreibschrift unnötig finden. Sie entziehen der Handschrift den Grund ihrer Entwicklung. Was verlieren wir, wenn wir die Vernachlässigung und Entwürdigung des Handschreibens zulassen? Worin besteht der ästhetische, emotionale, geistige Verlust? Was fügen wir Kindern zu, indem wir ihnen ihren Weg in die Schriftkultur scheinbar erleichtern?
Jochen Meyer, ehem. Leiter der Handschriftenabteilung im Deutschen Literaturarchiv Marbach
Angela Enders, Professorin in Vertretung, Lehrstuhl für Grundschulpädagogik an der Universität Regensburg
Werner Kuhmann, Privatdozent für Psychologie in den Erziehungswissenschaften an der Universität Wuppertal
Ute Andresen, Autorin und Pädagogin
Sibylle Lewitscharoff, Schriftstellerin
Rafik Schami, Schriftsteller