Eine Gesprächsmatinee anläßlich der Uraufführungen von Auftragskompositionen durch das Ensemble Modern im Rahmen der musica viva-Konzertreihe
Es diskutieren:
Vinko Globokar, Komponist (Paris)
Michal Hvorecky, Schriftsteller (Bratislava)
Karl Schlögel, Historiker (Frankfurt/Oder)
Miroslav Srnka, Komponist (Prag)
Einführung und Moderation: Ilma Rakusa, Publizistin und Übersetzerin (Zürich)
Im Rahmen des Projekts Woher? Wohin? – Mythen, Nation, Identitäten in Mittelosteuropa wurden acht Kompositionsaufträge vergeben an: Matej Bonin (Slowenien), Frantisek Chaloupka (Tschechische Republik), Andris Dzenitis (Lettland), Pawel Hendrich (Polen), Kristaps Petersons (Lettland), Janis Petraskevics (Lettland), Nina Senk (Slowenien) und Judit Varga (Ungarn).
Diese neuen Werke werden am 11. und 12. Dezember 2012, jeweils 20 Uhr, in der Muffathalle München im Rahmen der musica viva-Konzertreihe des Bayerischen Rundfunks vom Ensemble Modern unter der Leitung von Peter Eötvös uraufgeführt und sind anschließend in Frankfurt sowie in Warschau, Riga und Budapest zu erleben.
Diese Gesprächsmatinee, die den Münchener Uraufführungskonzerten vorausgeht, soll den übergreifenden gesellschaftlichen und kulturellen Kontext der Mittelosteuropa-Initiative thematisieren.
Musik hat in den mittelosteuropäischen Gesellschaften in der Vergangenheit oft eine wichtige Rolle bei der Entwicklung oder Behauptung von nationaler Identität gespielt: man denke nur an die Bedeutung von Komponisten wie Smetana für die tschechische Nationalbewegung oder an die Rolle der »Sängerbewegung« in den baltischen Gebieten bei der Überwindung der sowjetischen Herrschaft vor 1990. In den mittelosteuropäischen Transformationsgesellschaften ist der Euphorie der frühen 1990er Jahre aufgrund der Erfahrungen mit der globalisierten Marktwirtschaft oder der EU-Integration mancherorts Ernüchterung gefolgt. Die komplexen Prozesse von nationaler Identitätsbehauptung in den nach 1990 neu oder wieder entstandenen Nationalstaaten kommen nicht ohne die »Erfindung von Traditionen«, die Beschwörung von »imaginären Gemeinschaften« oder den Rückgriff auf tradierte oder konstruierte »Mythen« aus: Dabei kommt es in den historisch zumeist durch kulturelle Heterogenität geprägten Ländern auch zu Ausgrenzungen von Minderheiten.
An diese aktuelle Problematik knüpft das mehrstufige Projekt Woher? Wohin? – Mythen, Nation, Identitäten an, das vom Goethe-Institut (Mittelosteuropa) initiiert und gemeinsam mit dem Ensemble Modern, der BHF-BANK-Stiftung und der musica viva des Bayerischen Rundfunks realisiert wird. Auf Empfehlung von prominenten Kennern der jeweiligen Musikszenen wurden 28 junge Komponisten und Komponistinnen aus Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Tschechischen Republik, Ungarn, Slowenien und der Slowakei zu einem Workshop im Mai 2011 zum Ensemble Modern nach Frankfurt eingeladen. Ein voller Probenplan mit den Musikern des Ensemble Modern unter der Leitung von Peter Eötvös, in dem jedem eingeladenen Komponisten die Gelegenheit gegeben wurde, sich mit einem schon existierenden Werk vorzustellen, wurde ergänzt durch Referate und Diskussionen zum Beziehungsgeflecht von Mythen, Nation und Identitäten in den Ländern Mittelosteuropas.
Die daraufhin von den Komponisten in einem Bewerbungsverfahren eingereichten individuellen Projektskizzen wurden Grundlage für eine Juryauswahl und führten schließlich zur Vergabe von Kompositionsaufträgen. musica viva