In unserer neuen Literaturreihe zur Bewegung der Helden kommen in unregelmäßiger Folge zeitgenössische Autoren zu Wort, die ihre Hauptfiguren durch eine entschiedene Art der Fortbewegung kennzeichnen. Wagemutige Schiffer und fanatische Läufer, artistische Hochradler und wundersame Levitierer. Mit letzteren beginnen wir.
1998 erschienen fast zeitgleich zwei Romane, deren Helden ohne Bodenhaftung waren: Simon fliegt von Christian Mähr, Jahrgang 1952, und Abschied von Newton von Gert Heidenreich, Jahrgang 1944. Offenbar hatten beide Autoren das Gefühl, am Ende des Jahrtausends sei es Zeit für ein Wunder. Wie die materialistische Gesellschaft mit ihrem Anspruch, rational zu sein, auf diesen Bruch der Naturgesetze reagiert, wird in den Romanen von Mähr und Heidenreich unterschiedlich erzählt – doch beide entwickeln ihren Stoff als Abenteuerroman. Mähr lässt seine Figuren angesichts des Wunders begierig werden, selbst die Fliegekunst zu erlernen; Heidenreich entrollt eine Gesellschaftssatire, in der Profitgier und Zirkuswelten aufeinander prallen. Die tieferen Schichten beider Bücher berühren Mystisches und Religiöses bei Mähr, Philosophie und die Kraft der Liebe bei Heidenreich. Wir versprechen dem Publikum keinen Kurs im Fliegen, Wahrscheinlich aber wird man nach diesem Abend leichteren Gemüts sein.