Zwischen den Lesungen spielt Siegfried Mauser, Klavier, die Papillons von Robert Schumann und spricht über den Zusammenhang mit Jean Pauls Romanfragment Flegeljahre
In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Alfons-Goppel-Straße 11 (in der Residenz), 80539 München
»Einer unserer Großen« – so nannte ihn Arno Schmidt und hätte sich »für ihn mit der ganzen Welt geprügelt«. Sein Biograf Walther Harich stellte 1922 fest: »Keiner kennt ihn«; und doch sei er »nicht irgendein großer Dichter, sondern wie eine Naturkraft, er hat die Weite einer Welt.«
Jean Paul, am 21. März 1763 geboren, sah darin, daß sein Leben und der Frühling gemeinsam begannen, eine Bestimmung: Die Tag- und Nachtgleiche nahm er als Bild für sich selbst – »Phantasie und Reflexion sind sich ziemlich gleich zugewogen« – und deutete sie als »Vorspiel meines Doppelstils«. Tatsächlich bestehen bei Jean Paul wie bei keinem seiner Zeitgenossen Aufklärung und Metaphysik, Heroismus und Humor in parteilosem Vergnügen nebeneinander. Hinzu kommt ein erzählerischer Umgang mit dem Leser, den wir heute als modern bewundern könnten – wenn wir, ja, wenn wir Jean Paul kennen und lesen würden. Seine ironischen Brechungen, Spiele mit dem Leser, Verfremdungseffekte, seine ungebändigte Ausschweifungslust, darin ein Ahne von James Joyce; sein Forscherblick ins Kleinste und seine himmelgreifenden Gebärden – all dies war seinen formbewussten Zeitgenossen Schiller und Goethe verdächtig. Deren Abneigung mag auch am unerwarteten Publikumserfolg des Romans Hesperus oder 45 Hundsposttage gelegen haben, der Jean Paul in seiner frühesten Schaffensphase zum Bestsellerautor machte. Es hat ihm nicht gut getan. Der Beifall verklang im gleichen Maß, wie seine Erzählkunst an kaleidoskopischem Glanz gewann und er sich in kritischen Texten den Fragen seiner Zeit stellte.
Mit unserer Lesenacht, die von Liebe und Hochachtung bestimmt ist, werden wir ihn nicht wieder, wie sein Hesperus 1795, auf einen Schlag berühmt machen können – doch unsere Auswahl aus dem Kosmos Jean Pauls soll eine Spur legen zu seiner Wiederentdeckung. Gert Heidenreich