Filmvorführung: Milena Jesenská – mehr als Kafkas Freundin
Dokumentation von Margit Saad-Ponnelle, 1980, 59 Min.
Fast auf den Tag genau vor 70 Jahren starb Milena Jesenská im KZ Ravensbrück. Milena – ein Name, der zu Kafka hin führt, aber Milena ist mehr als Kafkas Freundin.
Geboren am 10. August 1896 in Prag, ist ihr ganzes Leben vom Zeitgeschehen und den politischen Umbrüchen geprägt. Milena ist ein wißbegieriges Mädchen, schreibt Briefe an ihre Lieblingslehrerin und nach der Matura lebt sie mit ihren Freundinnen ein ausgelassenes, provozierendes Leben. Im Arco Café, dem Treffpunkt der Literaten, Künstler und deutsch-jüdischen Intellektuellen, trifft sie Ernst Polak. Gegen den Willen ihres Vaters heiratet Milena ihn. Ernst Polak ist Jude. Das Paar muß Prag verlassen und geht nach Wien. Dort erlebt Milena eine Zeit der Entwurzelung. Sie gibt Unterricht im Tschechischen, schlägt sich als Kofferträgerin am Bahnhof durch. Schließlich schreibt sie Artikel für die Prager Zeitung Tribuna. Und in einem Brief bietet sie Franz Kafka die Übersetzung seiner Werke ins Tschechische an. Der Briefwechsel Kafka – Milena – Kafka beginnt. Kafkas Briefe an Milena kennt die Welt, Milenas Briefe an Kafka sind nicht erhalten. Auf die wundersame Nähe und nach vier gemeinsamen Tagen in Wien folgt der schmerzliche Rückzug Kafkas. Eine Karte aus Berlin vom 25. Dezember 1923 ist sein letzter Gruß. Zu Kafkas Tod im Jahr darauf schreibt Milena den einzigen Nachruf in tschechischer Sprache. Nach ihrer Scheidung von Ernst Polak kehrt Milena zurück nach Prag. Auch ihre Ehe mit dem Architekten Jaromir Krejcar, mit dem sie die gemeinsame Tochter Jana, geboren 1928, hat, scheitert. Milena schreibt für kommunistische Zeitungen, später wird sie Mitarbeiterin der Wochenzeitschrift Pritomnost (Gegenwart). Milena schreibt vielbeachtete politische Reportagen, sehr kritisch und sehr menschlich. Nach dem Einmarsch von Hitlers Truppen wird sie zur Patriotin ihres Landes. Sie hilft Flüchtlingen und Emigranten, vor allem ihren jüdischen Freunden. Es wird erzählt, daß sie, die Nichtjüdin, mit dem Davidstern über den Wenzelsplatz gegangen sei. Am 11. November 1939 wird sie von der Gestapo verhaftet und in das KZ Ravensbrück deportiert. M. S.-P.