Es ist bemerkenswert, wie viele Gemeinsamkeiten zwei so unterschiedliche Denker wie Nietzsche und Marx haben können. Der Vortrag beginnt mit einem kurzen Überblick über diese Ähnlichkeiten, und wendet sich dann der Frage der Geschichte zu. Es wird allgemein angenommen, daß Marx eine Art historischer Teleologe ist, der die menschliche Geschichte als grundlegende Einheit ansieht, die sich in großen Schritten der verschiedenen Produktionsweisen in Richtung Sozialismus hin entwickelt. Nietzsche dagegen lehnt die Idee eines historischen Planes ab und sieht die menschliche Geschichte als Ansammlung willkürlicher, zufälliger und unzusammenhängender Ereignisse. Der Vortrag will aufzeigen, daß, obwohl an diesem Gegensatz etwas Wahres ist, dies bei weitem nicht die ganze Geschichte ist. Im Gegenteil, es gibt das Einverständnis, nach dem Marx den großen Evolutionsgeschichten mißtraut, und das Einverständnis, nach dem Nietzsche eine Art Teleologie in der dreiteiligen Auffassung von Geschichte als Bewegung von einem amoralischen Tier zu einem moralischen Menschen und zum Übermenschen sieht.
Terry Eagleton, Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker, ist Professor für englische Literatur an der Lancaster University.
In Zusammenarbeit mit dem Kolleg Friedrich Nietzsche der Klassik Stiftung Weimar