Wie kein anderer prädestiniert und »engagiert« für das Thema unserer Reihe ist Dieter Schnebel, der 85jährige Nestor der deutschen Avantgarde. Schon 1969 stellte er in dem Frederic Rzewski gewidmeten Aufsatz Also Kulturrevolution? die wichtigsten Fragen zu politisch engagierter Musik:
»Sind wir nur geschlossene Gesellschaft, deren Interaktionen auf sie beschränkt bleiben? – Aber will, was hier geschieht, nicht doch nach draußen? Sucht gesellschaftliche, ja politische Wirkung! Avantgarde will doch voran, und neue Musik sucht doch das Neue, noch nicht Vorhandene. Freilich, wie kann neue Musik zu solcher Wirkung gelangen? Vielleicht verstört sie hier ein wenig, hilft ein bisschen Bewusstsein verändern. Aber wie kommt sie nach draußen? Sicher nicht direkt, da sie hierfür noch zu unbeweglich ist. Und Aktion, ja Agitation sind kaum ihre Aufgaben. Wie denn indirekt?«
Das Gespräch zwischen Dieter Schnebel und Peter Michael Hamel nimmt seinen Ausgang in einem Zitat von Heinz-Klaus Metzger, das Schnebel 1967 seinem Metzger gewidmeten Text Geistliche Musik heute vorangestellt hat:
»Das Dilemma aller geistlichen und auch aller politisch ‚engagierten’ Musik: den vermeinten Inhalt zwar durch die Wahl eines Titels oder eines vertonten Textes, nicht aber eigentlich musikalisch ausdrücken zu können, weil halt Noten weder katholisch noch kommunistisch sind.« P. M. H.
Dieter Schnebel (*1930)
Bagatellen für Klavier (1986)
1. Ruhe I
2. Spiel
3. Mühe
4. Liebes-Lied
5. Ent-bindung
6. Trauermarsch für Joseph Beuys
7. Bindungen
8. Ruhe II
Liebe – Leid für Frauenstimme und Klavier (2013/erweiterte Fassung von 2015)
Ariane Jeßulat, Stimme und Klavier