Noch bevor Paul Heyse (18301914) als erster Deutscher 1910 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde, sprach Theodor Fontane von einem »Heyseschen Zeitalter«. In der Tat waren Heyses literarische Produktion und ihr Widerhall immens. Der gebürtige Berliner, der 1854 nach München übersiedelte – und hier als das prominenteste »Nordlicht« galt –, reüssierte in fast allen Gattungen der Dichtung, dem Drama, der Novelle und in der Lyrik. Heyses Novellen er schienen in vielen Sprachen, manche seiner Gedichte wurden dutzendfach vertont, am schönsten gewiß in Hugo Wolfs Liederbüchern. Heyses Autobiographie kann als ein Schlüsseldokument des literarischen Lebens im 19. Jahrhundert gelten.
Der rege, liberale und weltoffene Paul Heyse war überdies ein Genie der Freundschaft, der in förderlichem Gedankenaustausch mit Theodor Storm, Eduard Mörike, Gottfried Keller oder Iwan Turgenew stand. Übersetzend erschloß Heyse für Deutschland Werke Alessandro Manzonis oder Giacomo Leopardis. Durch sein Eintreten für eine idealistische Kunstauffassung erfüllte Heyse die Sehnsüchte eines breiten Publikums. Doch gerade das Insistieren auf klassische Schönheit und idealen Charakter mochte ein Verhängnis für Heyses Geltung in einer zunehmend entzauberten Welt sein.
Im Nachklang zu Paul Heyses Gedenkjahr werden ein Vortrag von Walter Hettche, Liedkompositionen, Gedichte und Prosa-Auszüge, gelesen von Peter Hamm und Hans Pleschinski, an einen einst Gefeierten und bedeutenden literarischen Beweger erinnern. H. P.