Der Titel des Vortrages zitiert den Soziologen Georg Simmel, der vor etwa 100 Jahren formulierte, daß der sogenannte Fremde ein Gast sei, der nicht heute kommt und morgen wieder geht, sondern heute kommt und morgen bleibt. Deshalb sind die, die kommen, gar keine Gäste, sondern Leute, die in einer merkwürdigen Zwischenstellung leben: ihr Modus der Zugehörigkeit besteht darin, daß sie (noch) nicht wirklich dazugehören.
Was lernen wir von solchen Gästen? Darauf kann man sehr romantische Antworten geben, auch sehr erwartbare, etwa daß die Konfrontation mit dem Anderen stets bereichernd sei – oder diese Antwort: Von den vielen Zuwanderern lernen wir derzeit vor allem etwas über uns selbst, über unsere Abwehr- oder Willkomensreflexe, auch darüber, welche Konfliktlagen unsere Gesellschaft beherrschen. Gerade die Flüchtlinge der letzten Monate sind nicht Gäste, von denen wir etwas lernen, sondern Katalysatoren dafür, daß wir manches über uns selbst lernen, was wir zuvor womöglich nie zu fragen gewagt hätten. A. N.
Armin Nassehi, geb. 1960 in Tübingen, aufgewachsen in München, Landshut, Teheran und Gelsenkirchen, ist seit 1998 Professor für Soziologie an der LMU München. Neben seiner akademischen Tätigkeit ist er publizistisch tätig, ist Herausgeber des Kursbuchs und berät Unternehmen und Verbände unterschiedlicher Branchen. In seiner Freizeit ist er ein begeisterter Sänger (Bass).