Goethes Oden oder Hymnen sind die prägnantesten lyrischen Ausprägungen des Geniegedankens und Geniekults, der in der Zeit des Sturm und Drang nach 1770 seinen Höhepunkt in Europa erlebt. Das Genie steht für den aus sich selbst heraus schaffenden Künstler, der nicht mehr die Natur nachahmt und sich nach fest eingespielten ästhetischen Normen richtet, sondern als mit quasi göttlicher Autorität ausgestatteter – säkularisierter – Schöpfer in Erscheinung tritt. Die wichtigste mythische Symbolfigur des Genies ist der Menschenschöpfer Prometheus, der von dem emphatischen Gefühl der Selbstermächtigung bestimmt ist: »Hast Du nicht alles selbst vollendet, / Heilig glühend Herz?« Doch der »Verselbstung« des Prometheus tritt komplementär die mystisch-entgrenzende »Entselbstigung« gegenüber, wie sie für Goethe die Gestalt des Ganymed verkörpert. Schubert hat drei der Genie-Hymnen Goethes vertont und eine vierte (Mahomets Gesang) fragmentarisch. Die vier Kompositionen Schuberts werden an diesem Abend umrahmt durch zwei zeitgenössische, für Christian Gerhaher geschriebene Vertonungen: Seefahrt und Harzreise im Winter. D. B.
Gerold Huber (*1969)
Seefahrt (2015)
Franz Schubert (1797–1828)
Prometheus D 674 (1819)
Mahomets Gesang D 549 (1817, 1. Fassung, Fragment)
Ganymed D 544 (1817)
An Schwager Kronos D 369 (1816)
Wolfgang Rihm (*1952)
Harzreise im Winter (2012)
Christian Gerhaher, Bariton
Gerold Huber, Klavier
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