Von der angeblich offenen, zu gestaltenden und prognostizierbaren Zukunft, mit der Karl Marx und auch der Hochkapitalismus seiner Zeit rechnete, hat sich die westliche (und mittlerweile »global« gewordene) Kultur nie wirklich verabschiedet – weil ohne sie die »Politik« und die »Wirtschaft«, wie wir sie kennen und zu brauchen glauben, nicht funktionieren können. Zugleich aber scheint uns die Ahnung von einer Menschheitsdämmerung einzuholen, wie sie etwa Martin Heidegger nach dem Zweiten Weltkrieg anstimmte – und wie sie in ökologisch fundierten Konzeptionen der Zeit wachsende Resonanz findet. Können (oder müssen) wir mit mehreren Zukünften leben? H. U. G.
Hans Ulrich Gumbrecht, geboren 1948 in Würzburg, ist »Albert Guérard Professor in Literature« an der Stanford University in Kalifornien. Er studierte Romanistik, Germanistik, Philosophie und Soziologie. Vor seinem Wechsel in die Vereinigten Staaten lehrte er an den Universitäten Bochum und Siegen. Neun Universitäten haben ihm die Ehrendoktor-Würde verliehen. Zu seinen Arbeitsgebieten gehören die Literatur und Philosophie des Mittelalters, des 18. und des frühen 20. Jahrhunderts, neben Phänomenen der gegenwärtigen Alltags-Ästhetik. Über Periodika wie die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« oder den »Estado de São Paulo« erreicht Gumbrecht ein außerakademisches Publikum mit Themen geisteswissenschaftlicher Arbeit.