Bis ins 16. Jahrhundert war es für Europas Künstler oberstes Gebot, die Natur nachzuahmen. Allmählich aber wurde in theoretischen Schriften Phantasie als wichtigste Fähigkeit des Künstlers und Kriterium für die Qualität seiner Produkte immer entschiedener in den Vordergrund gerückt. Es war eine Entwicklung, die auch in der sprühenden Vielfalt der Kunst der Spätrenaissance und der Fabulierlust ihrer Dichter – man danke allein an Rabelais, Cervantes und Shakespeare – Ausdruck fand. Zur selben Zeit gelangen auch in den Wissenschaften dramatische Durchbrüche: Kopernikus wuchtete die Erde aus der Mitte des Kosmos, Vesalius erfand eine neue Anatomie, Kepler und Galilei entwickelten eine neue Astronomie. Der Vortrag fragt nach möglichen gemeinsamen Voraussetzungen künstlerischer und wissenschaftlicher Kreativität und deren Bedeutung in der Vorgeschichte der Moderne. B. R.
Bernd Roeck ist seit 1999 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich und einer der besten Kenner der europäischen Renaissance. Roeck veröffentlichte zahlreiche Arbeiten zur Sozial-, Kunst- und Kulturgeschichte, zuletzt erschienen sind: Der Morgen der Welt. Geschichte der Renaissance (2017), Gelehrte Künstler. Maler, Bildhauer und Architekten der Renaissance über Kunst (2013) und Mörder, Maler und Mäzene: Piero della Francescas »Geißelung«. Eine kunsthistorische Kriminalgeschichte (2006).